rvg-rechner.de
kostenerstattung-verweisung

Von Norbert Schneider

Auch wenn in erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren gem. § 12a Abs. 1  S. 1 ArbGG eine Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands ausgeschlossen ist, kommt in Verweisungsfällen eine Kostenerstattung in Betracht.

I. Ausgangspunkt

Auch in arbeitsgerichtlichen Verfahren richtet sich die Kostenerstattung grundsätzlich nach § 91 ZPO.

Gem. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ist allerdings im erstinstanzlichen Urteilsverfahren die Kostenerstattung ausgeschlossen wegen

  • der Entschädigung der Partei für Zeitversäumnis sowie
  • der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes.

Im Übrigen ist die Kostenerstattung nicht ausgeschlossen, also insbesondere nicht für Reisekosten oder sonstige Auslagen der Partei.

12a ArbGG Kostentragungspflicht

   (1) 1In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands. 2Vor Abschluß der Vereinbarung über die Vertretung ist auf den Ausschluß der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. 3Satz 1 gilt nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, daß der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat.

Gem. § 12a Abs. 1 S. 2 ArbGG hat der Prozessbevollmächtigte oder der Beistand seinen Mandanten vor Abschluss des Anwaltsvertrages auf den Ausschluss der Kostenerstattung nach § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG hinzuweisen. Die Partei soll hierdurch in die Lage versetzt werden, zu entscheiden, ob sie sich vor dem Arbeitsgericht selbst vertreten oder ob sie sich vertreten lassen will. Rechtsanwalt erhält für die Belehrung keine gesonderte Vergütung. Entscheidet sich der Mandant aufgrund der Belehrung, sich vor dem Arbeitsgericht selbst zu vertreten, steht dem Rechtsanwalt also keine Vergütungsanspruch zu. Die Form der Belehrung ist gesetzlich nicht geregelt. Folglich genügt ein mündlicher Hinweis des Prozessbevollmächtigten. Zu Beweiszwecken empfiehlt sich jedoch eine schriftliche Belehrung.

Unterlässt der Rechtsanwalt schuldhaft den nach § 12a Abs. 1 S. 2 ArbGG gebotenen Hinweis, kann seiner Partei ein Schadensersatzanspruch zustehen. Der Schaden kann darin bestehen, dass die Partei den Prozessbevollmächtigten bei erfolgter Belehrung nicht mit der Rechtsvertretung beauftragt hätte. Der Schaden liegt dann in der Vergütung des Prozessbevollmächtigten. Diesen Schadensersatzanspruch kann die Partei der Vergütungsforderung des Rechtsanwalts entgegenhalten, so dass dieser seinen Vergütungsanspruch letztlich nicht durchsetzen kann.

II.  Kostenerstattung bei Verweisung

1. Überblick

Im Falle einer Verweisung ergeben sich besondere Erstattungsprobleme, da der Ausschluss der Kostenerstattung nach § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ja nur für die vor dem ArbG verdiente Vergütung gilt. Hier ist zu differenzieren, ob vom Arbeitsgericht oder an das Arbeitsgericht verwiesen worden ist.

2. Verweisung vom Arbeitsgericht

Bei einer Verweisung vom Arbeitsgericht an ein Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit bleibt wegen § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG die Erstattung der erstinstanzlich vor dem Arbeitsgericht angefallenen Rechtsanwaltskosten ausgeschlossen (OLG Brandenburg AGS 2000, 138 = MDR 2000, 788 = JurBüro 2000, 422 = AnwBl 2001, 636). Der Ausschluss gilt jedoch nicht für diejenigen Anwaltskosten, die vor dem ordentlichen Gericht erneut entstanden sind (OLG Schleswig AGS 1995, 33 = JurBüro 1995, 207 = AnwBl 1995, 316; OLG Dresden,  Beschl. v. 15. 4. 2024 – 12 W 649/23).

Beispiel 1: Verweisung Arbeitsgericht an Zivilgericht (I)

Die Klage wird beim Arbeitsgericht eingereicht (Wert: 6.000,00 €). Auf den Einwand des Beklagten hin wird das Verfahren an das zuständige Landgericht verwiesen, das über die Sache mündlich verhandelt.

Die vor dem Arbeitsgericht angefallene Verfahrensgebühr wäre als solche nicht erstattungsfähig. Da die Verfahrensgebühr aber auch vor dem Landgericht entstanden ist und dort der Ausschluss der Kostenerstattung nicht gilt, ist sie erstattungsfähig. Die Terminsgebühr ist jedenfalls erstattungsfähig.

Zu erstatten sind also:

    1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV
    2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV
    3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

    Zwischensumme

    1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

    Summe

507,00 €

468,00 €

20,00 €

995,00 €

189,05 €

1.184,05 €

Beispiel 2: Verweisung Arbeitsgericht an Zivilgericht (II)

Die Klage wird beim Arbeitsgericht eingereicht (Wert: 6.000,00 €). Auf den Einwand des Beklagten wird das Verfahren an das zuständige Landgericht verwiesen. Dort wird die Klage ohne erneute mündliche Verhandlung zurückgenommen. Der Beklagte hat auch keinen neuen Antrag mehr gestellt.

Die vor dem Arbeitsgericht angefallene Verfahrensgebühr des Beklagten wäre als solche nicht erstattungsfähig. Da die Verfahrensgebühr aber auch vor dem Landgericht entstanden ist, ist sie erstattungsfähig, allerdings wegen Nr. 3101 Nr. 1 VV nur zu 0,8 (OLG Dresden, Beschl. v. 15. 4. 2024 – 12 W 649/23).

Zu erstatten sind also:

  1. 0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3100, 3101 VV
  2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Summe

312,00 €

20,00 €

332,00 €

63,08 €

395,08 €

Beispiel 3: Verweisung Arbeitsgericht an Zivilgericht (III)

Vor dem Arbeitsgericht findet ein Gütetermin statt. Anschließend wird an das Landgericht verwiesen. Dort wird die Klage zurückgenommen, ohne dass mündlich verhandelt wurde. Zuvor hatte der Beklagte aber auch vor dem LG beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Verfahrensgebühr, die (auch) vor dem Landgericht entstanden ist, ist erstattungsfähig. Die Terminsgebühr, die nur vor dem Arbeitsgericht angefallen ist, kann dagegen wegen § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG nicht erstattet verlangt werden.

Zu erstatten sind also nur:

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV
  2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Summe

507,00 €

20,00 €

527,00 €

100,13 €

627,13 €

Die gleichen Grundsätze gelten, wenn vom Arbeitsgericht an ein anderes Gericht (z.B. Finanzgericht oder Verwaltungsgericht) verwiesen wird (Thüringer Finanzgericht EFG 2007, 453).

3. Verweisung an das Arbeitsgericht

Wird von einem Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit an das Arbeitsgericht verwiesen, gilt § 12a Abs. 1 S. 3 ArbGG, wobei die Rechtslage allerdings strittig ist.

Nach einer älteren Auffassung sollten nur die Mehrkosten erstattungsfähig sein, also die Differenz zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten und denjenigen Kosten, die entstanden wären, wenn der Kläger gleich das zuständige Gericht angerufen hätte (LAG Berlin ArbuR 1984, 122).

Nach zwischenzeitlich wohl einhelliger Auffassung sind dagegen gem. § 12a Abs. 1 S. 3 ArbGG die vollen vor dem Gericht der anderen Gerichtsbarkeit entstandenen Rechtsanwaltskosten erstattungsfähig (BAG NZA 2005, 429 = NJW 2005, 1301 = MDR 2005, 598 = RVGreport 2005, 318; Thüringer LAG NZA-RR 2001, 106 = NZA 2001, 1216; LAG Köln AGS 2012, 48).

Beispiel 5: Verweisung ordentliches Gericht an Arbeitsgericht (I)

Die Klage wird vor dem Landgericht eingereicht. Es wird mündlich verhandelt. Hiernach wird dann die Sache an das Arbeitsgericht verwiesen. Dort wird die Klage später zurückgenommen.

Vor dem Landgericht sind die Verfahrens- und die Terminsgebühr ausgelöst worden. Vor dem Arbeitsgericht ist nur noch die Verfahrensgebühr entstanden.

Nach der vorstehenden Rechtsprechung sind ungeachtet des § 12a Abs. 1 S. 1, 3 ArbGG sowohl Verfahrens- und Terminsgebühr erstattungsfähig, da diese Kosten bereits vor dem ordentlichen Gericht angefallen sind und dort der Ausschluss der Kostenerstattung nicht greift.

Zu erstatten sind danach:

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV
  2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV
  3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

 Summe

507,00 €

468,00 €

20,00 €

995,00 €

189,05 €

1.184,05 €

Nach der Gegenauffassung wäre nur die Terminsgebühr erstattungsfähig.

Beispiel 5: Verweisung ordentliches Gericht an Arbeitsgericht (II)

Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch wird auch vor dem ArbG verhandelt.

Nach h. M. wäre wie im vorangegangenen Beispiel zu erstatten. Nach der Gegenauffassung wäre nichts zu erstatten, da vor dem Landgericht keine Mehrkosten angefallen sind.

Bild: Adobe Stock/© wutzkoh
norbert-schneider
Weitere Beiträge

Rechtsanwalt Norbert Schneider ist einer der versiertesten Praktiker im Bereich des anwaltlichen Gebühren- und Kostenrechts und Autor zahlreicher Fachpublikationen und Seminare. Er ist außerdem Autor der Fachinfo-Tabelle Gerichtsbezirke 2024 zur Reisekostenabrechnung und Mitherausgeber der AGS – Zeitschrift für das gesamte Gebührenrecht sowie der NZFam.

Jetzt zum Newsletter von Gebührenexperte Norbert Schneider anmelden
close-link