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Streitwert Räumungsklage

I. Die gesetzliche Regelung

Der Streitwert einer Räumungsklage bemisst sich nach § 41 Abs. 2 GKG unter Rückgriff auf Abs. 1. Die Vorschrift lautet:

§ 41 Miet-, Pacht- und ähnliche Nutzungsverhältnisse

(1) 1Ist das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig, ist der Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Entgelts und, wenn das einjährige Entgelt geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung maßgebend. 2Das Entgelt nach S. 1 umfasst neben dem Nettogrundentgelt Nebenkosten dann, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden.

(2) 1Wird wegen Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils verlangt, ist ohne Rücksicht darauf, ob über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses Streit besteht, das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt maßgebend, wenn sich nicht nach Abs. 1 ein geringerer Streitwert ergibt. 2Wird die Räumung oder Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund verlangt, ist der Wert der Nutzung eines Jahres maßgebend.
[…]

So eindeutig diese Regelung scheint, gibt es doch zahlreiche Bewertungsprobleme.

II. Maßgebliche Miethöhe

1. Nettogrundentgelt

Maßgebend für die Berechnung des Streitwerts einer Räumungsklage ist das Nettogrundentgelt (§ 41 Abs. 1 S. 2 GKG).

Mit Nettogrundentgelt versteht das Gesetz die Kaltmiete. Der Begriff „netto“ ist nicht steuerrechtlich zu verstehen. Soweit in der Miete Umsatzsteuer enthalten ist bzw. auf die Miete Umsatzsteuer zu zahlen ist, ist die Umsatzsteuer als Bestandteil der Miete in den Räumungsstreitwert einzubeziehen (OLG Düsseldorf JurBüro 2011, 645; JurBüro 2011, 199 = ZMR 2011, 805; OLG Celle, AGS 2009, 89 = NJW-Spezial 2009, 67; KG ZMR 2007, 534 = NZM 2007, 518; KGR 2005, 525).

2. Berücksichtigung von Zahlungen auf Betriebskosten

Betriebskostenvorauszahlungen, die periodisch abzurechnen sind, werden nicht berücksichtigt.

Beispiel 1:

Es wird Räumungsklage erhoben. Vereinbart ist eine Kaltmiete i. H. v. monatlich 800 Euro zuzüglich

a) 200 Euro Betriebskostenvorauszahlung
b) 200 Euro Betriebskosten (pauschal)
c) 100 Euro Heizkostenvorauszahlung + 100 Euro Betriebskostenpauschale im Übrigen

Im Fall a) beträgt der Streitwert 12 x 800 Euro =

Im Fall b) beträgt der Streitwert 12 x 1.000 Euro =

Im Fall c) beträgt der Streitwert 12 x 900 Euro =

9.600 Euro

12.000 Euro

10.800 Euro

3. Staffelmiete

Ist eine gestaffelte Miete vereinbart, ist also vereinbart, dass sich die Miete im Laufe des Mietverhältnisses automatisch erhöht, dann gilt die höchste Mietstaffel während der restlichen Mietlaufzeit (BGH AGS 2006, 143 = NJW-RR 2006, 16 = RVGreport 2006, 74 = NZM 2005, 944; AGS 2008, 461 = NZM 2007, 935; AG Neukölln GE 2021, 712).

Im Falle eines Zeitmietverhältnisses ist die Berechnung einfach.

Beispiel 2:

Die Parteien hatten zum 1.1.2024 einen Fünf-Jahres-Mietvertrag abgeschlossen. Vereinbart war zunächst eine monatliche Miete in Höhe von 500 Euro. Die Miete sollte sich jeweils zum 1.1. eines Folgejahres automatisch um 30 Euro erhöhen. Im September 2024 kündigt die Vermieterin das Mietverhältnis fristlos und erhebt gleichzeitig Räumungsklage.

Der höchste Jahresbetrag wäre im Beispiel der für die Miete des Jahres 2028. Für dieses Jahr berechnet sich die Miete auf

12 × 620 Euro =

7.440 Euro

Etwas problematischer ist die Berechnung, wenn es sich um ein Mietverhältnis von unbestimmter Dauer handelt. In diesem Fall geht man von der Wertung des § 9 ZPO aus und schätzt, dass das Mietverhältnis noch 3,5 Jahre dauern werde. Hiervon ausgehend wird dann auf die höchste Miete innerhalb der nächsten 3,5 Jahre abgestellt, wobei wiederum strittig ist, ob die höchste Monatsmiete der nächsten 3,5 Jahre mit dem Faktor 12 zu multiplizieren ist oder ob exakt auf die letzten zwölf Monate der letzten 3,5 Jahre abzustellen ist.

Beispiel 3:

Wie vorheriges Beispiel; das Mietverhältnis war jedoch unbefristet. Auszugehen ist nach § 9 ZPO von einem Zeitraum von 3½ Jahren, der am 31.3.2028 enden würde.

Zu berücksichtigen wäre jetzt der Wert der letzten zwölf in den 3½-Jahreszeitraum fallenden Mieten, also der Mieten für Oktober 2024 bis März 2028. Dies wiederum ergäbe:

9 × 590 Euro =
3 × 620 Euro =
Gesamt

5.310 Euro
1.860 Euro
7.170 Euro

Nach a. A. ist von der höchsten Monatsmiete innerhalb der nächsten 3,5 Jahre auszugehen. Dies ergäbe dann folgende Berechnung:

12 × 620 Euro =

7.440 Euro

III. Räumung nur aufgrund Mietvertrags

Wird der Räumungsanspruch ausschließlich aufgrund des mietvertraglichen Räumungsanspruchs geltend gemacht, gilt der Jahreswert, es sei denn, die streitige Zeit ist geringer. In diesem Fall kann also auch der Räumungsstreitwert unter dem Jahreswert liegen (OLG Stuttgart NZM 2009, 320 = NJW-Spezial 2008, 764; OLG Düsseldorf AGS 2007, 46 = NZM 2006, 583; LG Hamburg NZM 2000, 759; OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.6.2015 – 2 W 26/15).

Beispiel 4:

Die Vermieterin, die nicht Eigentümerin ist, erklärt zum Ende des Monats die außerordentliche Kündigung eines frei kündbaren Geschäftsraummietverhältnisses, hilfsweise die ordentliche Kündigung. Die Parteien streiten nur darüber, ob die außerordentliche Kündigung wirksam ist oder ob das Mietverhältnis erst in sechs Monaten nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist endet.

Der Streitwert richtet sich jetzt nach § 41 Abs. 2 S. 2 GKG nur nach der streitigen Zeit, also nach dem sechsfachen Mietwert.

IV. Räumung auch aus einem anderen Rechtsgrund

Wird die Räumung auch aus einem anderen Rechtsgrund verlangt, gilt immer der Jahreswert. Ein solcher Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn der Vermieter Eigentümer ist oder aus einem anderen Grund dinglich berechtigt ist, etwa als Nießbraucher o. Ä. Hier kommt es auf die streitige Zeit nicht an.

Beispiel 5:

Wie Beispiel 4; die Vermieterin ist jedoch auch gleichzeitig Eigentümerin.

Jetzt gilt mach § 41 Abs. 2 S. 2 GKG der der Jahresmietwert. Auf die streitige Zeit kommt es hier nicht an.

Unerheblich ist insoweit, ob sich der Kläger ausdrücklich auf § 985 BGB stützt. Entscheidend ist lediglich, dass ihm das dingliche Recht zusteht, unabhängig davon, welche rechtlichen Ausführungen in der Klageschrift gemacht werden.

Hinweis:

Zur Vermeidung fehlerhafter Wertfestsetzungen sollte daher in einer Räumungsklage immer angegeben werden, ob der klagende Vermieter auch dinglich Berechtigter ist. Dies vermeidet nachträgliche Streitwertkorrekturen bzw. Streitwertbeschwerden.

V. Klage nur aus einem anderen Rechtsgrund

Wird nur aus einem anderen Rechtsgrund geklagt, dann gilt gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 6 ZPO der Verkehrswert (OLG Hamm AGS 2011, 561 = NZM 2012, 53 = RVGreport 2011, 437; LG Berlin GE 2016, 1097). Solche Fälle kommen insbesondere bei gescheiterten Immobilienverkäufen vor.

Beispiel 6:

Der Kläger hatte dem Beklagten ein Einfamilienhaus verkauft und ihm nach Beurkundung des Kaufvertrags den Besitz eingeräumt, damit dieser schon einmal mit den Vorbereitungen für Renovierungen und Umbauten beginnen könne. Da der Kaufpreis nicht gezahlt wurde, ist der Kläger vom Kaufvertrag zurückgetreten und verlangt nunmehr die Herausgabe des Objekts.

Jetzt gilt der Verkehrswert nach § 48 Abs. 1 S. 1 GGK i. V. m. § 9 ZPO, da § 41 GKG nicht anwendbar ist.

VI. Mischfälle

Kommt es zu „Mischfällen“, verlangt also der Vermieter die Herausgabe eines Objekts teilweise aufgrund eines Nutzungsverhältnisses, teilweise aber auch ausschließlich aufgrund des Eigentums, so ist zu quoteln (OLG Nürnberg AGS 2012, 415 = MDR 2012, 1024; OLG Düsseldorf AGS 2009, 496 = WuM 2009, 543).

Beispiel 7:

Die Eigentümerin einer großen Gewerbehalle hat ein Drittel der Halle vermietet. Der Mieter hat vertragswidrig jedoch die gesamte Halle in Beschlag genommen. Nunmehr wird auf Räumung geklagt.

Soweit der Räumungsanspruch den vermieteten Teil der Halle betrifft, ist der Jahresmietwert maßgebend. Soweit der Räumungsanspruch die nicht vermieteten Räumlichkeiten betrifft, die der Mieter unstreitig unberechtigterweise in Beschlag genommen hat, ist der Verkehrswert maßgebend, also 2/3 des Gesamtverkehrswerts.

VII. Klage nur aus einem anderen Rechtsgrund; Beklagter wendet jedoch Nutzungsrecht ein

Beruft sich der Kläger darauf, dass kein Nutzungsverhältnis bestehe, wendet aber der Beklagte ein solches Nutzungsverhältnis ein, dann gilt wiederum § 41 Abs. 2 GKG (OLG Koblenz AGS 2013, 413 = NZM 2014, 256; OLG Köln GuT 2003, 64; OLG Düsseldorf AGS 2008, 307 = WuM 2008, 160 = NZM 2008, 542; KG ZMR 2008, 448).

Es handelt sich hier um einen der seltenen Ausnahmefälle, in denen der Vortrag des Beklagten Auswirkung auf den Streitwert hat. Grund hierfür ist, dass bei einem eingewandten Mietverhältnis letztlich der Streit wieder um das Bestehen des vom Beklagten behaupteten Mietverhältnisses geht, so dass der soziale Schutz die Reduzierung des Streitwertes gebietet. Anderenfalls hätte es der Kläger in der Hand, durch Leugnen des Mietverhältnisses den Streitwert hochzutreiben.

Beispiel 8:

Der Kläger klagt auf Herausgabe von Räumen und stützt seine Klage ausschließlich auf Eigentum; eine Nutzungsverhältnis bestehe nicht. Der Beklagte beruft sich jedoch darauf, dass ein Mietverhältnis bestehe.

Es gilt der Jahresmietwert, weil der Beklagte ein Mietverhältnis einwendet.

VIII. Mehrere Kündigungserklärungen

Unerheblich ist, auf wie viele Kündigungserklärungen die Herausgabe gestützt wird, da nicht die Kündigung selbst Gegenstand des Verfahrens ist, sondern der Räumungs- und Herausgabeanspruch. Auch bei einer sog. „Kündigungssalve“ erhöht sich der Streitwert daher nicht (BGH AGS 2012, 489 = NZM 2012, 535 = RVGreport 2012, 433; OLG Köln NJW-Spezial 2022, 93; NZM 2001, 749 = NJW-RR 2002, 521; KG AGS 2012, 489 = NZM 2012, 535 = RVGreport 2012, 200 u, 433; OLG München NZM 2001, 749 = NJW-RR 2002, 521; unzutreffend: AG Koblenz WuM 2018, 795 = AGS 2020, 80).

Beispiel 9:

Die Vermieterin, die zugleich Eigentümerin ist, hat die außerordentliche Kündigung wegen Ruhestörungen erklärt. Zugleich erklärt sie die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Es kommt zur Räumungsklage und einer weiteren Kündigungserklärung wegen Zahlungsverzugs. Das AG hält die außerordentliche Kündigung für unwirksam, ebenso die Kündigung wegen Eigenbedarfs und verurteilt den Beklagten auf die letzte Kündigung wegen Zahlungsverzugs zur Räumung.

Maßgebend ist nur der einfache Jahreswert. die Anzahl der Kündigungen spielt keine Rolle.

Auch für die Kostenentscheidung spielt die Anzahl der Kündigungen keine Rolle. Die Kosten sind einheitlich dem Beklagten aufzuerlegen, da er antragsgemäß zur Räumung verurteilt worden ist (OLG Köln NJW-Spezial 2022, 93).

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Bild: Adobe Stock/©Charlie's
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Der Gebührenexperte und Rechtsanwalt Norbert Schneider hat bereits zahlreiche Werke zum RVG veröffentlicht, darunter Fälle und Lösungen zum RVG, AnwaltKommentar RVG, Streitwertkommentar und RVG Praxiswissen. Er ist außerdem Autor der Fachinfo-Tabelle Gerichtsbezirke 2025 zur Reisekostenabrechnung auswärtiger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und Mitherausgeber der AGS-Zeitschrift für das gesamte Gebührenrecht sowie der NZFam.

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