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Von Norbert Schneider

Werden mehrere Verfahren miteinander verbunden, so liegt ab dem Zeitpunkt der Verbindung nur noch eine einzige Angelegenheit i. S. d. § 15 Abs. 2 RVG vor. Bis zur Verbindung bleiben die Verfahren dagegen selbstständige Angelegenheiten und können gesondert abgerechnet werden (OLG Koblenz, JurBüro 1986, 1523).

Überblick

Die Gebühren fallen vor der Verbindung aus dem jeweiligen Wert der einzelnen Verfahren an, da es sich um eigene Angelegenheiten handelt; nach Verbindung entstehen die Gebühren dagegen nur ein einziges Mal (§ 15 Abs. 1, 2 RVG), und zwar aus dem Gesamtwert der Gegenstände (§ 23 Abs. 1 S. 1 i. V. m. §§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 1 GKG).

Drei Fallkonstellationen sind dabei möglich:

1. Die Gebühren sind sowohl vor als auch nach der Verbindung entstanden

Sind die Gebührentatbestände sowohl vor als auch nach der Verbindung ausgelöst worden, steht es dem Anwalt frei, zu wählen, ob er seine Gebühren aus den Einzelwerten vor Verbindung oder aus dem Gesamtwert nach Verbindung berechnet (VGH Kassel, JurBüro 1987, 1360). In aller Regel ist es dabei aufgrund der Gebührendegression für den Anwalt günstiger, die getrennte Berechnung zu wählen.

Beispiel: Verbindung – getrennte Abrechnung ist günstiger

A klagt gegen B auf Zahlung von 6.000,00 Euro (Az. 1/21). B erhebt gleichzeitig Klage gegen A auf Zahlung von 4.000,00 Euro (Az. 2/21). Nachdem in beiden Verfahren mündlich verhandelt worden ist, wird die Klage des B als Widerklage zum Verfahren 1/21 verbunden. Anschließend wird erneut verhandelt.

Bei gemeinsamer Abrechnung entstehen die Gebühren nur einmal aus dem addierten Wert von 10.000,00 Euro.

Gemeinsame Berechnung

Bei getrennter Abrechnung entstehen die Gebühren dagegen aus den Teilwerten gesondert, wodurch die Gebührendegression umgangen wird, so dass die Abrechnung günstiger ausfällt.

Getrennte Abrechnung

Getrennte Abrechnung

Nur dann, wenn der Gebührensprung infolge der Verbindung höher ausfällt als die gesonderte Gebühr aus dem hinzuverbundenen Verfahren, ist die gemeinsame Abrechnung günstiger. Solche Fälle sind allerdings selten

2. Einzelne Gebühren sind nur vor der Verbindung entstanden

Sind einzelne Gebühren nur vor der Verbindung entstanden, andere aber erst nach der Verbindung, besteht ein Wahlrecht nur hinsichtlich der Gebühren, die sowohl vor als auch nach der Verbindung angefallen sind.

Beispiel: Verfahrensverbindung, nachdem ein Termin stattgefunden hat, kein erneuter Termin im verbundenen Verfahren

Zwei Klagen über 6.000,00 Euro Kaufpreis (Az. 1/21) und 4.000,00 Euro Miete (Az. 2/21) werden verbunden, nachdem jeweils verhandelt worden ist. Nach der Verbindung erledigen sich beide Verfahren, ohne dass es zu einem erneuten Termin i. S. d. Vorbem. 3 Abs. 3 VV kommt.

Die Verfahrensgebühr ist in jedem Verfahren vor und nach der Verbindung entstanden, insoweit besteht wiederum das Wahlrecht. Hier ist die getrennte Abrechnung günstiger.

Die Terminsgebühren sind jedoch nur einzeln entstanden, und zwar aus den jeweiligen Werten der Verfahren vor der Verbindung. Für den Anwalt ist dies aber nicht nachteilig, da die getrennte Abrechnung für ihn ohnehin günstiger ist.

Verfahren vor Verbindung

3. Einzelne Gebühren sind nur nach der Verbindung entstanden

Soweit einzelne Gebühren nur nach der Verbindung angefallen sind, entsteht nur eine Gebühr nach dem Gesamtwert (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG i. V. m. §§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 1 GKG) des verbundenen Verfahrens. Ein Wahlrecht besteht in diesem Fall nicht (BGH AGS 2010, 317 = NJW 2010, 3377).

Beispiel: Es kommt zu einer Verfahrensverbindung, bevor ein Termin stattgefunden hat; ein Termin findet erstmals im verbundenen Verfahren statt.

Zwei Klagen über 6.000,00 Euro Kaufpreis (Az. 1/21) und 4.000,00 Euro Miete (Az. 2/21) werden verbunden, bevor ein Termin stattgefunden hat. Nach der Verbindung wird mündlich verhandelt.

Die Verfahrensgebühr ist in beiden Verfahren gesondert entstanden. Insoweit besteht wiederum ein Wahlrecht. Die getrennte Abrechnung ist günstiger.

Die Terminsgebühr ist dagegen nur im verbundenen Verfahren 1/21 entstanden und kann nur dort berechnet werden, und zwar aus dem Gesamtwert (§ 23 Abs. 1 RVG i. V. m. § 39 Abs. 1 GKG).

Verfahren

Fazit – diese Grundsätze sind zu beachten

Die Abrechnung bei Verbindungen bereitet eigentlich keine Schwierigkeiten, wenn man einige Grundsätze berücksichtigt:

  • Hinsichtlich der Gebühren, die sowohl vor Verbindung als auch danach entstanden sind, hat der Anwalt ein Wahlrecht, ob er eine Gebühr aus dem Gesamtwert abrechnet oder einzelne Gebühren aus den jeweiligen Teilwerten, was in der Regel für ihn günstiger sein wird.
  • Hinsichtlich der Gebühren, die nur nach der Verbindung angefallen sind, darf nur eine Gebühr aus dem Gesamtwert berechnet werden. Ein Wahlrecht besteht nicht.
  • Hinsichtlich der Gebühren, die nur vor Verbindung angefallen sind, muss getrennt abgerechnet werden. Ein Wahlrecht besteht auch hier nicht.
Bild: Adobe Stock/Pormezz
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Rechtsanwalt Norbert Schneider ist einer der versiertesten Praktiker im Bereich des anwaltlichen Gebühren- und Kostenrechts und Autor zahlreicher Fachpublikationen und Seminare. Er ist außerdem Autor der Fachinfo-Tabelle Gerichtsbezirke 2024 zur Reisekostenabrechnung und Mitherausgeber der AGS – Zeitschrift für das gesamte Gebührenrecht sowie der NZFam.