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Kostenfestsetzung mehrere Streitgenossen

Von Norbert Schneider

In der Praxis kommt es häufig vor, dass ein Anwalt bzw. eine Anwältin mehrere Streitgenossen vertritt oder auf der Gegenseite mehrere Streitgenossen vorhanden sind. Auch beides ist möglich. In der Kostenfestsetzung ergeben sich dann Probleme, welche Vergütung für wen bzw. welche Vergütung gegen wen zur Festsetzung anzumelden ist.

I. Festsetzung gegen mehrere Auftraggeber

1. Überblick

Besteht die erstattungspflichtige gegnerische Partei aus mehreren Streitgenossen, so ist zunächst einmal zu prüfen, ob insoweit eine gesamtschuldnerische Haftung besteht.

Mehrere Beklagte haften für die zu erstattenden Kosten als Gesamtschuldner, wenn sie in der Hauptsache als Gesamtschuldner verurteilt worden sind (§ 100 Abs. 4 ZPO). In diesem Fall bedarf es hinsichtlich der Kostentragungspflicht keines Ausspruchs über die gesamtschuldnerische Haftung in der Kostenentscheidung. Die gesamtschuldnerische Haftung ergibt sich in diesem Fall vielmehr unmittelbar aus dem Gesetz.

In den übrigen Fällen muss die gesamtschuldnerische Haftung ausgesprochen werden, etwa nach einer Erledigung der Hauptsache.

Bei Abschluss eines Vergleichs kommt es darauf an, wie die Kostenregelung lautet. Fehlt insoweit eine ausdrückliche Regelung, ist der Vergleich auszulegen. In der Regel ist dann gem. § 427 BGB von einer gesamtschuldnerischen Haftung auszugehen.

Die Vorschrift des § 100 Abs. 1 ZPO ist entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht auf den Fall, dass mehrere Streitgenossen die Kosten des Rechtsstreits in einem Prozessvergleich übernommen haben, nicht anwendbar. Vielmehr haften Streitgenossen, die die Kosten des Rechtsstreits durch Vereinbarung im Vergleich übernehmen, dem Gegner gemäß § 427 BGB im Zweifel als Gesamtschuldner, wobei es eine Frage der Vertragsauslegung ist, ob die Kostenübernahme gesamtschuldnerisch oder nach Kopfteilen erfolgen sollte.

OLG Bremen, Beschl. v. 8.7.1992 – 2 W 50/92

Übernehmen mehrere Streitgenossen ganz oder teilweise die Kosten des Rechtsstreits durch eine von § 98 S. 1 ZPO abweichende Vereinbarung im Vergleich, also durch Vertrag, haften sie dem Gegner für die übernommenen Kosten gemäß § 427 BGB im Zweifel als Gesamtschuldner. Ob die Kostenübernahme gesamtschuldnerisch oder nach Kopfteilen erfolgen soll, ist eine Frage der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 242 BGB, wenn die Vertragsparteien über diesen Punkt nichts bestimmt haben. Gerade für diesen Fall greift die Auslegungsregel des § 427 BGB ein. Ergeben sich bei der Auslegung des Vergleichs und unter Berücksichtigung von dessen Inhalt und Zweck keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem mutmaßlichen Willen der Parteien eine analoge Anwendung von § 100 Abs. 1 ZPO und somit eine Kostenerstattung nach Kopfteilen entsprechen würde, verbleibt es bei der nach § 427 BGB im Zweifel begründeten gesamtschuldnerischen Haftung.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.8.2013 – 11 W 4/13

Mehrere Kläger haften dagegen nicht als Gesamtschuldner, es sei denn, sie haben sich durch einen Vergleich dazu verpflichtet oder das Gericht hat unzutreffenderweise – aber rechtskräftig – Gesamtschuldnerschaft ausgesprochen, was leider auch vorkommt.

2. Gesamtschuldnerische Haftung

Haften mehrere Streitgenossen als Gesamtschuldner, so kann die gesamte Vergütung der erstattungsberechtigten Partei gegen alle Streitgenossen gesamtschuldnerisch festgesetzt werden. Ein jeder der Streitgenossen haftet dann auf die volle Erstattungssumme.

Beispiel:

Die beiden Mieter sind als Gesamtschuldner auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 10.000 Euro verurteilt worden.

Die gesamten auf Klägerseite angefallenen Anwalts-, Gerichts- und Parteikosten können gegen die Beklagten als Gesamtschuldner zur Erstattung angemeldet und festgesetzt werden.

3. Teilschuldnerschaft

Haften mehrere Streitgenossen nicht als Gesamtschuldner, dann ist zunächst einmal zu prüfen, ob in der Kostengrundentscheidung bzw. in der vergleichsweisen Regelung eine Quotierung enthalten ist. Ist dies der Fall, dann sind die Kosten der erstattungsberechtigten Partei entsprechend den vom Gericht ausgesprochenen oder der im Vergleich geregelten Quoten zu verteilen.

Beispiel:

Die Klage der beiden Kläger ist abgewiesen worden. Die Kosten des Beklagten sind dem Kläger zu 1) zu einem Drittel und dem Kläger zu 2) zu zwei Dritteln auferlegt worden.

Beispiel:

Die Parteien schließen einen Vergleich, wonach die Kosten des Verfahrens und des Vergleichs vom Kläger zu 1) zu einem Drittel und vom Kläger zu 2) zu zwei Dritteln übernommen werden.

Die auf Beklagtenseite angefallenen Anwalts-, Gerichts- und Parteikosten sind in beiden Fällen gegen den Kläger zu 1) zu einem Drittel und gegen den Kläger zu 2) zu zwei Dritteln zur Erstattung anzumelden und festzusetzen.

Fehlt es in der Kostenentscheidung an einer Quotierung, lautet sie etwa:

„Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.“,

dann haften diese gemäß § 100 Abs. 1 ZPO nach Kopfteilen. Folglich ist zutreffenderweise zu beantragen, dass die Kosten des Klägers kopfanteilig gegen jeden der Beklagten festgesetzt werden.

Beispiel: Der Kläger klagt gegen zwei Beklagte auf Zahlung von jeweils 10.000 Euro. Das Gericht verurteilt die Beklagten und erlegt ihnen die Kosten des Verfahrens auf.

Der Kläger kann jetzt seine Kosten aus 20.000 Euro zur Festsetzung anmelden, allerdings mit der Maßgabe, dass jeweils die Hälfte der Kosten gegen einen jeden Beklagten festzusetzen sind.

In der Praxis wird dies häufig bereits bei der Antragstellung nicht berücksichtigt und auch die Rechtspfleger achten nicht darauf, so dass „gegen die Beklagten“ oder „gegen die Kläger“ festgesetzt wird. Dies ändert aber nichts daran, dass ein jeder der Beklagten bzw. der Kläger in diesem Falle nur kopfanteilig haftet, es sei denn, der Rechtspfleger hat fehlerhaft – aber rechtskräftig – Gesamtschuldnerschaft ausgesprochen, was leider auch vorkommt.

II. Mehrere Kostenerstattungsgläubiger

Besteht die erstattungsberechtigte Partei aus mehreren Personen, so besteht grundsätzlich keine Gesamtgläubigerschaft. Vielmehr besteht nach § 420 BGB grundsätzlich Teilgläubigerschaft, es sei denn, aus der gerichtlichen Kostenentscheidung oder aus dem Vergleich ergibt sich etwas anderes.

Waren Streitgenossen in einem Prozess, in welchem ein Streitgenosse obsiegt hat und ein anderer unterlegen ist, durch einen gemeinschaftlichen Anwalt vertreten, so kann der obsiegende Streitgenosse grundsätzlich nur den seiner Beteiligung am Rechtsstreit entsprechenden Bruchteil der Anwaltskosten von dem Prozeßgegner erstattet verlangen (Aufgabe BGH, Beschl. v. 12.2.1954 - I ZR 106/51, JurBüro 1969, 941).

BGH, Beschl. v. 30.4.2003 – VIII ZB 100/02

Sofern in der Kostengrundentscheidung nichts anderes angeordnet ist, stehen Streitgenossen dem Erstattungspflichtigen als Einzelgläubiger gegenüber, weshalb ein von ihnen gemeinsam gestellter Kostenfestsetzungsantrag erkennen lassen muss, zu Gunsten welchen Antragstellers welcher Erstattungsbetrag verlangt wird. Eine pauschale Festsetzung der insgesamt entstandenen Kosten kommt nicht in Betracht. Da einer Partei Kosten nur dann im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO „erwachsen“ sind, wenn feststeht, dass sie diese tatsächlich bezahlen muss, ist das Innenverhältnis der Streitgenossen (in der Regel Gesamtschuld) auch für die Kostenfestsetzung maßgeblich.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.3.2012 – 18 W 48/12

Stellen mehrere Streitgenossen gemeinsam einen einheitlichen Kostenfestsetzungsantrag, muss daraus deutlich werden, in welchen Beteiligungsverhältnissen oder - bei gleicher Beteiligung am Rechtsstreit - in welcher Gläubigerstellung (Teil-, Mit- oder Gesamtgläubiger) sie die Festsetzung begehren.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.3.2020 – 18 W 32/20

Streitgenossen sind hinsichtlich der auf ihrer Seite insgesamt angefallenen Anwaltskosten als Anteilsgläubiger anzusehen, wenn die Kosten der Gegenseite ohne weitere Differenzierung auferlegt werden.

BGH, Urt. v. 8.11.2022 – VI ZR 379/21

Im Fall der Vertretung mehrerer Streitgenossen durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt ist jeder einzelne Streitgenosse hinsichtlich der Geltendmachung der auf seiner Seite angefallenen Anwaltskosten gegen den Prozessgegner Anteilsgläubiger gemäß § 420 BGB und kann daher im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Prozessgegner nur den auf ihn entfallenden Kostenanteil beanspruchen, dessen Höhe wiederum sich nach dem Innenverhältnis der Streitgenossen und deren Beteiligung am Prozess bestimmt.

OLG Bremen, Beschl. v. 23.11.2023 – 1 W 23/23

In einem solchen Fall muss daher angegeben werden, welcher Teil der Gesamtvergütung für welchen Erstattungsgläubiger zur Festsetzung angemeldet wird. Ein pauschaler Festsetzungsantrag ist als unzulässig zurückzuweisen, unbeschadet der Möglichkeit, nachträglich einen neuen zulässigen Antrag zu stellen.

Da mehrere Auftraggeber eines einzigen Rechtsanwalts im Festsetzungsverfahren dem Kostenschuldner grundsätzlich als Anteils- bzw. Einzel- und nicht als Gesamtgläubiger gegenüberstehen, kommt eine pauschale Festsetzung der insgesamt entstandenen Anwaltskosten zugunsten von Streitgenossen nicht in Betracht. Ein dahingehender Festsetzungsantrag ist als unzulässig zurückzuweisen. Vielmehr muss ein von Streitgenossen gestellter Kostenfestsetzungsantrag erkennen lassen, zugunsten welchen Antragstellers welcher Erstattungsbetrag verlangt wird.

OLG Brandenburg Beschl. v. 17.10.2023 – 6 W 103/23

Maßgebend ist in einem solchen Fall das Innenverhältnis, das – entgegen einer häufig anzutreffenden Auffassung – allerdings kein vollständiges Gesamtschuldverhältnis ist, sondern ein sog.

„eigenartiges Gesamtschuldverhältnis“

darstellt (OLG Düsseldorf AGS 2011, 534 = JurBüro 2011, 592).

Unproblematisch ist der Fall, dass alle Streitgenossen gleichermaßen am Streitgegenstand beteiligt sind. Dann kann eine Quote nach Kopfteilen angemeldet werden.

Bei ungleicher Beteiligung stellt sich die Berechnung komplizierter dar.

  1. Sind mehrere durch denselben Anwalt vertretene Parteien in unterschiedlichem Umfang an der jeweiligen Angelegenheit beteiligt, so kann die Aufteilung der insgesamt entstandenen Anwaltsgebühren auf diese Parteien nicht ohne weiteres nach Kopfteilen erfolgen.
  2. Bei Vertretung mehrerer in unterschiedlichem Umfang an der jeweiligen Angelegenheit beteiligter Parteien durch denselben Anwalt ist zur Bestimmung der auf die einzelnen Parteien entfallenden Anwaltsgebühren im Zweifel grundsätzlich die unterschiedliche Beteiligung der jeweils Beteiligten an der betreffenden Angelegenheit zu berücksichtigen, um den auf jeden einzelnen Beteiligten alleine sowie als Anteil seiner gesamtschuldnerischen Haftung entfallenden Gebührenanteil zu bestimmen.
  3. Bei Vertretung mehrerer in unterschiedlichem Umfang an der jeweiligen Angelegenheit beteiligter Parteien durch denselben Anwalt ist zur Bestimmung der auf die einzelnen Parteien entfallenden Anwaltsgebühren auch die Vorsteuerabzugsberechtigung für jeden Beteiligten einzeln zu berücksichtigen.

OLG Bremen, Beschl. v. 19.4.2018 – 1 W 40/17

Beispiel:

A und B werden gemeinsam verklagt, und zwar A auf 5.000 Euro und B auf 20.000 Euro. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten der Beklagten werden dem Kläger auferlegt.

Insgesamt steht dem gemeinsamen Anwalt der Beklagten eine Vergütung aus 25.000 Euro zu. Die Werte der einzelnen Klageanträge sind zu addieren. Eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV kommt mangels gemeinschaftlicher Beteiligung nicht in Betracht.

Insgesamt kann der Anwalt/die Anwältin also wie folgt abrechnen:

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 25.000,00 €)
  2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 25.000,00 €)
  3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Gesamt netto

Gem. § 7 Abs. 2 RVG schuldet Partei A:

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 5.000,00 €)
  2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 5.000,00 €)
  3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Gesamt netto

Partei B schuldet nach § 7 Abs. 2 RVG:

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 20.000,00 €)
  2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 20.000,00 €)
  3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Gesamt netto

Es besteht damit eine Gesamtschuld in Höhe von

Einzelhaftung A
+ Einzelhaftung B
-  Gesamtvergütung

   Gesamtschuld

Hinsichtlich dieser Gesamtschuld haftet also jeder Beklagte im Innenverhältnis hälftig und im Übrigen alleine.

Das bedeutet, zugunsten des Beklagten A sind festzusetzen
(855,00 € – 362,50 € =)

und zugunsten des B (2.075,00 € – 362,50 € =)

Gesamt

Hinzu kommt jeweils die Umsatzsteuer, soweit keine Vorsteuerabzugsberechtigung besteht.

1.136,20 €

1.048,80 €

20,00 €

2.205,00 €

434,20 €

400,80 €

20,00 €

855,00 €

1.068,60 €

986,40 €

20,00 €

2.075,00 €

855,00 €

2.075,00 €

-2.205,00 €

725,00 €

492,50 €

1.712,50 €

2.205,00 €

IV. Fazit

Bei Kostenfestsetzungsanträgen für und gegen mehrere Streitgenossen ist darauf zu achten, dass schon in der Festsetzung angegeben wird, für wen und gegen wen die zu erstattenden Kosten festgesetzt werden sollen. Versäumnisse, die hier begangen werden, können im weiteren Verlaufe zu Problemen führen (siehe den Fall des BGH, Urt. v. 8.11.2022 – VI ZR 379/21).

Bild: Adobe Stock/© KOTO
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Rechtsanwalt Norbert Schneider ist einer der versiertesten Praktiker im Bereich des anwaltlichen Gebühren- und Kostenrechts und Autor zahlreicher Fachpublikationen und Seminare. Er ist außerdem Autor der Fachinfo-Tabelle Gerichtsbezirke 2024 zur Reisekostenabrechnung und Mitherausgeber der AGS – Zeitschrift für das gesamte Gebührenrecht sowie der NZFam.

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