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terminsgebuehr-einigung-zivilverfahren

I. Neufassung durch das KostRÄG 2021

Mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 wurde der Tatbestand der fiktiven Terminsgebühr geändert. Er lautet jetzt (Neufassung hervorgehoben) wie folgt:

Nr.

Gebührentatbestand

Gebühr oder Satz der Gebühr nach § 13 RVG

3104

Terminsgebühr, soweit in Nummer 3106 nichts anderes bestimmt ist


(1) Die Gebühr entsteht auch, wenn

1. in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gemäß § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts ein Vertrag im Sinne der Nummer 1000 geschlossen wird oder eine Erledigung der Rechtssache im Sinne der Nummer 1002 eingetreten ist,

1,2

Geblieben ist die Voraussetzung, dass ein Verfahren mit einer vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung zugrunde liegen muss. Hieran hat sich nichts geändert.

Während nach der alten Fassung allerdings noch der Abschluss eines schriftlichen Vergleichs erforderlich war, genügt nunmehr eine Einigung. Es ist also nicht, wie bei einem Vergleich, ein beiderseitiges Nachgeben erforderlich (§ 779 BGB); es reicht vielmehr ein einseitiges Nachgeben (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 1000 VV).

Darüber hinaus ist die Schriftformerfordernis weggefallen. Der Vergleich muss also nicht schriftlich fixiert sein. Jede andere Form genügt auch.

Des Weiteren ist klargestellt worden, dass die Terminsgebühr unabhängig davon anfällt, ob das Gericht an dem Vergleich mitwirkt oder nicht.

Die vorgenannten Änderungen beruhen insbesondere darauf, dass nach der alten Fassung des Gesetzes strittig war, ob der Vergleich vor Gericht geschlossen werden musste, was insbesondere in der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit angenommen wurde.

Kommt es also in einem Verfahren, in dem eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, zu einer Einigung, dann entsteht auch die fiktive Terminsgebühr.

In zivilgerichtlichen Verfahren ist nach § 128 Abs. 2 ZPO eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben, so dass hier bei einer Einigung auch eine Terminsgebühr anfällt.

II. Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO

Der klassische Fall ist der, dass die Parteien einen Vergleich schließen und anschließend das Zustandekommen dieses Vergleichs durch Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO gerichtlich feststellen lassen.

 

Beispiel 1 | Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO

Nach Klageerhebung (Wert: 8.000,00 €) schließen die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich, dessen Zustandekommen das Gericht nach § 278 Abs. 6 ZPO feststellt.

Der Vergleich löst neben der Einigungsgebühr auch die fiktive Terminsgebühr aus. Zu rechnen ist wie folgt:

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV
  2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV
  3. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV
  4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

  Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

652,60 €

602,40 €

502,00 €

20,00 €

1.777,00 €

337,63 €

2.114,63 €

III. Außergerichtliche schriftliche Einigung

Nach der Neufassung ist es aber nicht erforderlich, dass die Einigung vor Gericht erfolgt. Auch außergerichtliche Einigungen genügen. Die Frage war nach der alten Fassung strittig. Überwiegend wurde eine Terminsgebühr angenommen.

Schließen die Parteien während des Rechtsstreits außergerichtlich einen schriftlichen Vergleich löst dies bereits eine Terminsgebühr aus. Ein gerichtlich protokollierter oder nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellter Vergleich ist nicht erforderlich.

OLG Köln, Beschl. v. 6.4.2016 - 17 W 67/16

Zuletzt hatte der BGH klargestellt, dass die Terminsgebühr auch bei einem schriftlichen Vergleich anfällt.

Für die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1, Variante 3 VV genügt der Abschluss eines außergerichtlichen schriftlichen Vergleichs; nicht erforderlich ist, dass der Vergleich protokolliert oder sein Zustandekommen gemäß § 278 Abs. 6 ZPO seitens des Gerichts festgestellt wird.

BGH, Beschl. v. 7.5.2020 – V ZB 110/19

Durch die Neufassung der Anm. Abs. 1 zu Nr. 3101 VV ist dies jetzt eindeutig geregelt.

Beispiel 2: Schriftliche Einigung

Nach Klageerhebung (Wert: 8.000,00 €) schreibt der Anwalt des Beklagten, dass dieser bereit sei, 4.000,00 € zu zahlen, wenn daraufhin die Klage bei Kostenaufhebung zurückgenommen werde. Der Klägeranwalt schreibt zurück, dass der Kläger damit einverstanden sei.

Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel.

IV. Formlose Einigung

Eine Schriftform ist – wie bereits ausgeführt – nicht mehr erforderlich. Jegliche andere Einigung genügt ebenso.

Beispiel 3: Formloser Vergleich

Nach Eingang der Klage über 8.000,00 € schickt der Beklagtenanwalt dem Klägervertreter eine WhatsApp-Nachricht und bietet an, 4.000,00 € zu zahlen, gegen Klagerücknahme. Der Klägervertreter antwortet per SMS mit „einverstanden“. Die Einigung ist durch Angebot und Annahme zustande gekommen, so dass auch die Terminsgebühr angefallen ist.

Abzurechnen ist wie in Beispiel 1.

V. Vorherige Besprechung

Wird eine solche Einigung zuvor besprochen, dann kommt es auf Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV nicht mehr an, weil dann bereits die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV entstanden ist.

Beispiel 4:  Einigung nach Besprechung

Nach Eingang der Klage über 8.000,00 € ruft der Beklagtenanwalt beim Kläger an und bietet an, 4.000,00 € zu zahlen, wenn die Klage zurückgenommen werde. Der Klägervertreter nimmt daraufhin die Klage zurück.

Hier hat bereits eine Besprechung nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV stattgefunden, so dass dadurch die Terminsgebühr ausgelöst wurde.

Abzurechnen ist wie in Beispiel 1.

VI. Einstweiliges Verfügungsverfahren

Wird in einem einstweiligen Verfügungsverfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen, fällt eine Terminsgebühr an, da es sich bei einem einstweiligen Verfügungsverfahren um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung handelt.

Terminsgebühr im einstweiligen Verfügungsverfahren bei Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren

Bei einem einstweiligen Verfügungsverfahren handelt es sich um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung.

OLG Oldenburg, Beschl. v. 28.2.2017 - 6 W 12/17

Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 RVG-VV entsteht auch dann, wenn der schriftliche Vergleich in einem einstweiligen Verfügungsverfahren nach §§ 935 ff. ZPO geschlossen wird.

BGH, Beschl. v. 7. 5. 2020 – V ZB 110/19

Beispiel 5: Einigungsgebühr im einstweiligen Verfügungsverfahren

In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (Wert: 5.000,00 €) schließen die Parteien außergerichtlich einen schriftlichen Vergleich, dessen Zustandekommen nach § 278 Abs. 6 ZPO gerichtlich festgestellt wird.

Im einstweiligen Verfügungsverfahren ist eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben (§ 128 Abs. 1 ZPO). Die Vorschrift des § 922 ZPO ist nicht anzuwenden (§ 936 ZPO), da § 937 ZPO eine abweichende Regelung enthält.

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 5.000,00 €)
  2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 5.000,00 €)
  3. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV (Wert: 5.000,00 €)
  4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

434,20 €

400,80 €

334,00 €

20,00 €

1.189,00 €

25,91 €

1.414,91 €

VIII. Mehrwerteinigung

Werden in die Einigung auch nicht anhängige Gegenstände einbezogen, so wird die fiktive Terminsgebühr aus dem Gesamtwert berechnet.

Wird in einem Rechtsstreit mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen, ohne dass ein mündlicher Verhandlungstermin stattfindet, so erhält der bevollmächtigte Anwalt eine 1,2-Termingebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV. Hierbei fällt die Termingebühr, wenn in den Vergleich nicht rechtshängige Ansprüche einbezogen worden sind, grundsätzlich aus dem Gesamtstreitwert an.

OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11. 11. 2009 - 9 W 340/09

Beispiel 6

Eingeklagt sind 5.000,00 €. Das Gericht schlägt den Parteien schriftlich einen Vergleich vor, wonach zum Ausgleich der Klageforderung unter Einbeziehung einer weiteren nicht rechtsanhängigen Forderung in Höhe von 2.000,00 € ein bestimmter Betrag zu zahlen ist und damit beide Forderungen erledigt sein sollen. Die Parteien stimmen dem Vergleichsvorschlag schriftlich zu, so dass das Zustandekommen des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird. Das Gericht setzt den Verfahrenswert auf 5.000,00 € fest und den Mehrwert des Vergleichs auf 2.000,00 €.

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 5.000,00 €)
  2. 0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 Nr. 1 VV (Wert: 2.000,00 €)
    (die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG, 1,3 aus 7.000,00 € = 579,80 € ist nicht überschritten)
  1. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 7.000,00 €)
  2. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV (Wert: 5.000,00 €)
  3. 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV (Wert: 2.000,00 €)
    (die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG, 1,5 aus 7.000,00 € = 669,00 € ist nicht überschritten)
  1. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 €

 Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 323,98 €

Gesamt

434,20 €

132,80 €

535,20 €

334,00 €

249,00 €

20,00 €

1.705,20 €

323,98 €

2.029,18 €

IX. Einigung in sonstigen Verfahren

Es bleibt allerdings dabei, dass ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung zugrunde liegen muss. Die fiktive Terminsgebühr entsteht daher nicht, wenn es sich um ein Verfahren handelt, in dem eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist.

So ist in einem selbstständigen Beweisverfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben. Daher entsteht hier auch keine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV. Dafür entsteht die 1,5-Einigungsgebühr, da eine Ermäßigung der Einigungsgebühr im Beweisverfahren nicht vorgesehen ist.

Beispiel 7: Einigung im Beweisverfahren

Im selbständigen Beweisverfahren (Wert: 5.000,00 €) schließen die Parteien einen schriftlichen Vergleich, der nach § 278 Abs. 6 ZPO gerichtlich festgestellt wird.

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 5.000,00 €)
  2. 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000, VV (Wert: 5.000,00 €)
  3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

 Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

 Gesamt 

434,20 €

501,00 €

20,00 €

955,20 €

181,48 €

1.136,68 €

Wird im Mahnverfahren, in einem PKH-Prüfungsverfahren oder einem Arrestverfahren eine Einigung geschlossen, ohne, dass die Anwälte miteinander gesprochen haben, fällt keine Teminsgebühr an, da in diesen Verfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist. Es entsteht dann neben der Verfahrensgebühr nur die Einigungsgebühr.

Bild: Adobe Stock/©chinnarach
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Rechtsanwalt Norbert Schneider ist einer der versiertesten Praktiker im Bereich des anwaltlichen Gebühren- und Kostenrechts und Autor zahlreicher Fachpublikationen und Seminare. Er ist außerdem Autor der Fachinfo-Tabelle Gerichtsbezirke 2024 zur Reisekostenabrechnung und Mitherausgeber der AGS – Zeitschrift für das gesamte Gebührenrecht sowie der NZFam.