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Von Norbert Schneider

I. Überblick

Wird gegen ein Versäumnisurteil ein unzulässiger Einspruch eingelegt, etwa wegen Verfristung (§ 339 ZPO) oder weil ihn die Partei vor dem LG, OLG oder BGH persönlich eingelegt hat (§§ 340 Abs. 1, 78 ZPO), so hat das Gericht den Einspruch durch Urteil als unzulässig zu verwerfen (§ 341 ZPO). Das Versäumnisurteil wird damit rechtskräftig. Gleiches gilt für die Verwerfung eines Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid (§§ 700 Abs. 1, 341 ZPO). In der Praxis besteht in diesen Fällen regelmäßig Unklarheit, ob dem beteiligten Anwalt auch eine Terminsgebühr zusteht.

II. Verwerfung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil

 1. Verwerfung im Termin

Wird der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil in einem gerichtlichen Termin als unzulässig verworfen, entsteht eine volle 1,2-Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV. Nach dieser Variante reicht jeder gerichtliche Termin aus, um eine Terminsgebühr auszulösen. Eine Verhandlung ist nicht erforderlich. Ein Fall der Ermäßigung liegt nicht vor, selbst wenn die einspruchsführende Partei zum Termin nicht erscheint und auch nicht ordnungsgemäß vertreten ist, da es an der weiteren Voraussetzung fehlt, dass lediglich ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils oder zur Prozess- und Sachleitung gestellt wird und das Gericht auch nicht lediglich über Prozess- und Sachleitung entscheidet.

Beispiel 1

Eingeklagt sind 10.000,00 €. Im ersten Verhandlungstermin ist auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den säumigen Beklagten ein Versäumnisurteil über 10.000,00 € ergangen. Das Gericht beraumt einen Termin zur mündlichen Verhandlung an. Dort erkennt es, dass die Einspruchsfrist des § 339 ZPO versäumt wurde und verwirft den Einspruch als unzulässig.

Da im Einspruchstermin nicht lediglich ein Versäumnisurteil ergangen ist, greift die Ermäßigung nach Nr. 3105 VV nicht. Die für den Prozessbevollmächtigten des Klägers für das Versäumnisurteil zunächst entstandene 0,5-Terminsgebühr (Nr. 3105 VV) erhöht sich im Einspruchstermin zu einer vollen 1,2-Terminsgebühr (OLG Köln AGS 2010, 412). Abzurechnen ist wie folgt:

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000,00 €)
  2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 10.000,00 €)
  3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

  Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

798,20 €

736,80 €

20,00 €

1.555,00 €

295,45 €

1.850,45 €

Ebenso ist abzurechnen, wenn das erste Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren nach § 331 Abs. 3 ZPO ergangen ist.

2. Verwerfung im schriftlichen Verfahren nach § 341 Abs. 2 ZPO

Nach § 341 Abs. 2 ZPO kann das Gericht einen unzulässigen Einspruch gegen ein Versäumnisurteil auch ohne mündliche Verhandlung verwerfen. In diesem Fall wird häufig eine fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV geltend gemacht. Die erste Voraussetzung hierfür, dass es sich um ein Verfahren mit einer vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung handelt, ist noch nicht gegeben, da im Erkenntnisverfahren nach § 128 Abs. 1 ZPO mündlich zu verhandeln ist. Es fehlt jedoch an der weiteren Voraussetzung, dass das Gericht nur mit Zustimmung der Parteien ohne mündliche Verhandlung entscheiden darf. Hier verhält es sich dagegen so, dass nach § 341 Abs. 2 ZPO eine Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung unabhängig davon zulässig ist, ob die Parteien dem zustimmen. Damit liegen die Voraussetzungen der Anm. Abs. 1 Nr. 1 Nr. 3104 VV nicht vor, sodass eine fiktive Terminsgebühr nicht entsteht.

Verwirft das Prozessgericht den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ohne mündliche Verhandlung als unzulässig, entsteht keine Terminsgebühr.

OLG Köln, Beschl. v. 12.12.2018 – 17 W 208/18, JurBüro 2019, 301 = AGS 2019, 266 = NJW-Spezial 2019, 380 = RVGreport 2019, 297

Beispiel 2: Schriftliche Einigung

Nach Klageerhebung (Wert: 8.000,00 €) schreibt der Anwalt des Beklagten, dass dieser bereit sei, 4.000,00 € zu zahlen, wenn daraufhin die Klage bei Kostenaufhebung zurückgenommen werde. Der Klägeranwalt schreibt zurück, dass der Kläger damit einverstanden sei.

In diesem Fall ist nur die 0,5-Terminsgebühr für die Erwirkung des (ersten) Versäumnisurteils entstanden. Für das zweite Urteil, das die Verwerfung ausspricht, entsteht keine weitere Vergütung. Insbesondere entsteht weder eine weitere Terminsgebühr noch erhöht sich der Gebührensatz der Terminsgebühr auf 1,2. Abzurechnen ist wie folgt:

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000,00 €)
  2. 0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV (Wert: 10.000,00 €)
  3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

798,20 €

307,00 €

20,00 €

1.125,20 €

213,79 €

1.338,99 €

Auch hier ist ebenso ist abzurechnen, wenn das erste Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO im schriftlichen Vorverfahren ergangen ist.

3. Verwerfung im Verfahren nach § 495a ZPO

Es entsteht auch dann keine Terminsgebühr, wenn die Verwerfung des Einspruchs im vereinfachten Verfahren nach § 495a ZPO erfolgt. Ergeht im schriftlichen Verfahren nach § 495a ZPO eine Entscheidung, die auch im ordentlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen kann, so fällt auch im Verfahren nach § 495a ZPO keine Terminsgebühr an.

Ergeht im schriftlichen Verfahren nach § 495a ZPO eine Entscheidung, die auch im ordentlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen kann (hier: Verwerfung des Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid und Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag), so fällt auch im Verfahren nach § 495a ZPO keine Terminsgebühr des Rechtsanwalts an.

AG Ansbach, Beschl. v. 4.9.2006 – 2 C 52/06, AGS 2006, 544 = RVGreport 2006, 388

Beispiel 3

Eingeklagt sind 600,00 €. Im schriftlichen Vorverfahren ist gegen den Beklagten auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers ein Versäumnisurteil ergangen. Hiergegen hat der Beklagte verspätet Einspruch eingelegt. Das Gericht weist den Einspruch im Verfahren nach § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung zurück.

Da auch im Verfahren nach § 495a ZPO ein Versäumnisurteil mit der Folge einer auf 0,5 reduzierten Terminsgebühr möglich ist (AG Pforzheim AGS 2019, 6 = NJW-Spezial 2019, 125; AG Mönchengladbach AGS 2013, 383 = NJW-Spezial 2013, 507), kann auch hier ein Fall des § 341 Abs. 2 ZPO vorliegen.

Abzurechnen ist wie folgt:

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 600,00 €)
  2. 0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV (Wert: 600,00 €)
  3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

114,40 €

105,60 €

20,00 €

240,00 €

45,60 €

285,60 €

III. Verwerfung des Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid

1. Überblick

Die gleiche Rechtslage gilt dann, wenn gegen einen Vollstreckungsbescheid ein unzulässiger Einspruch erhoben wird. In diesem Fall ist über § 700 Abs. 1 ZPO die Vorschrift des § 341 ZPO entsprechend anzuwenden. Auch hier kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Es bedarf hierzu nicht der Zustimmung der Parteien. Daher fällt auch in diesem Fall keine Terminsgebühr an.

2. Verwerfung im schriftlichen Verfahren

Wird der Einspruch im schriftlichen Verfahren nach § 341 Abs. 2 ZPO verworfen, entsteht im streitigen Verfahren keine Terminsgebühr.

Entscheidet das Gericht über den unzulässigen Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid ohne mündliche Verhandlung entsteht keine Terminsgebühr.

OLG Koblenz, Beschl. v. 28.1.2011 – 14 W 52/11, AGS 2011, 482 = JurBüro 2011, 590 = NJW-Spezial 2011, 604

Im schriftlichen Verfahren nach § 341 Abs. 2 ZPO entsteht keine Terminsgebühr.

LG Berlin, Beschl. v. 23.1.2006 – 82 T 543/05, RVGreport 2006, 347

Beispiel 4

Der Anwalt leitet für den Antragsteller gegen den Antragsgegner ein Mahnverfahren über eine Forderung i.H.v. 10.000,00 € ein. Da der Antragsgegner keinen Widerspruch einlegt, ergeht antragsgemäß ein Vollstreckungsbescheid. Gegen diesen Vollstreckungsbescheid legt der Antragsgegner verspätet Einspruch ein. Nach Abgabe in das streitige Verfahren verwirft das LG den Einspruch gem. §§ 700 Abs. 6 S. 1, 341 ZPO im schriftlichen Verfahren als unzulässig.

Im Mahnverfahren hat der Antragstellervertreter die 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV sowie die 0,5-Verfahrensgebühr für den Vollstreckungsbescheid nach Nr. 3308 VV verdient.

Im gerichtlichen Verfahren entsteht lediglich die 1,3-Verfahrensgebühr, auf die die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens anzurechnen ist (Anm. zu Nr. 3305 VV). Eine Terminsgebühr entsteht nicht. Dafür bleibt dem Anwalt die Verfahrensgebühr nach Nr. 3308 VV anrechnungsfrei erhalten.

I. Mahnverfahren

  1. 1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3305 VV (Wert: 10.000,00 €)
  2. 0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3308 VV (Wert: 10.000,00 €)
  3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

II. Streitiges Verfahren

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000,00 €)
  2. gem. Anm. zu Nr. 3305 VV anzurechnen, 1,0 aus 10.000,00 €
  3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

614,00 €

307,00 €

20,00 €

941,00 €

178,79€

1.119,79 €

798,20 €

– 614,00 €

20,00 €

204,20 €

38,80 €

243,00 €

2. Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung

Wird dagegen der Einspruch in der mündlichen Verhandlung verworfen, entsteht auch hier die volle 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV, da trotz Säumnis nicht lediglich ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils oder auf Prozess- und Sachleitung gestellt wird und das Gericht auch nicht nur über die Prozess- und Sachleitung entscheidet.

Beispiel 5

Der Anwalt leitet für den Antragsteller gegen den Antragsgegner ein Mahnverfahren wegen einer Forderung i. H. v. 10.000,00 € ein. Da der Antragsgegner keinen Widerspruch einlegt, ergeht antragsgemäß ein Vollstreckungsbescheid. Gegen diesen Vollstreckungsbescheid legt der Antragsgegner verspätet Einspruch ein. Das Gericht beraumt einen Termin zur mündlichen Verhandlung an. Dort erkennt es, dass die Einspruchsfrist der §§ 700 Abs. 1, 399 ZPO nicht gewahrt ist und verwirft den Einspruch als unzulässig.

Jetzt entsteht im streitigen Verfahren die 1,2-Terminsgebühr.

I. Mahnverfahren

  1. 1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3305 VV (Wert: 10.000,00 €)
  2. 0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3308 VV (Wert: 10.000,00 €)
  3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

II. Streitiges Verfahren

  1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 5.000,00 €)
  2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 5.000,00 €)
  3. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV (Wert: 5.000,00 €)
  4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

614,00 €

307,00 €

20,00 €

941,00 €

178,79€

1.119,79 €

798,20 €

– 614,00 €

736,80 €

20,00 €

941,00 €

178,79 €

1.119,79 €

IV. Entsprechende Anwendung Familiensachen

Soweit in Familienstreitsachen durch Versäumnisbeschluss entschieden werden kann (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG) oder ein Vollstreckungsbescheid möglich ist (§ 113 Abs. 2 ZPO), gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend, allerdings mit der Maßgabe, dass in Familiensachen ein Verfahren nach § 495a ZPO nicht möglich ist, da § 113 Abs. 1 S. 2 ZPO nur auf das Verfahren vor den Landgerichten Bezug nimmt.

Bild: Adobe Stock/©Pcess609
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Rechtsanwalt Norbert Schneider ist einer der versiertesten Praktiker im Bereich des anwaltlichen Gebühren- und Kostenrechts und Autor zahlreicher Fachpublikationen und Seminare. Er ist außerdem Autor der Fachinfo-Tabelle Gerichtsbezirke 2024 zur Reisekostenabrechnung und Mitherausgeber der AGS – Zeitschrift für das gesamte Gebührenrecht sowie der NZFam.