
In der anwaltlichen Vergütungspraxis sind die Begriffe „Gegenstandswert“ und „Streitwert“ von besonderer Bedeutung, z.B. – aber nicht nur –, wenn es um die Berechnung bestimmter Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geht.
Aber wann spricht man vom „Gegenstandswert“ und wann vom „Streitwert“?
Beide Begriffe haben gemeinsam, dass sie sich auf den Wert eines rechtlichen Anspruchs oder eines Verfahrens beziehen, doch sie werden in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet und haben auch unterschiedliche Bedeutungen.
Wertvorschriften finden sich im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), dem Gerichtkostengesetz (GKG), der Zivilprozessordnung (ZPO), dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG) und nicht zuletzt dem Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare (GNotKG). Insofern muss unterschieden werden, was mit „Wert“ gemeint ist.
Der Gegenstandswert
Der „Gegenstandswert bezieht sich ganz allgemein auf den wirtschaftlichen Wert eines Gegenstands oder einer Angelegenheit, die inhaltlich Auftrag einer rechtlichen Beratung oder Vertretung ist. Der Begriff wird insbesondere in außergerichtlichen Angelegenheiten herangezogen, zum Beispiel bei der Berechnung der Anwaltsgebühren nach den Gebührenziffern 2300 ff. VV RVG. Der Gegenstandswert ist insoweit maßgeblich für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren in zivilrechtlichen Streitigkeiten, aber auch in anderen Bereichen, wie etwa in Verwaltungsangelegenheiten oder bei notariellen Tätigkeiten.
Beispiel:
Die Anwältin unterstützt ihren Mandanten außergerichtlich bei der Gestaltung eines Vertrags über einen Grundstückskaufvertrag. Der Kaufpreis – und somit der Gegenstandswert – beträgt 500.000 Euro.
Der Streitwert
Der Begriff „Streitwert“ wird demgegenüber im Rahmen gerichtlicher Verfahren verwendet, insbesondere in Zivilprozessen.
Der Streitwert ist zum einen zur Verfahrenseinleitung zu ermitteln. Er kann
- Zuständigkeitsstreitwert (§§ 2 ZPO, 23 und 71 GVG – welches Gericht ist sachlich zuständig?),
- Rechtsmittelstreitwert (§§ 2, 511, 567 ZPO – kann ein Rechtsmittel eingelegt werden?),
- Bagatellstreitwert (§ 495 a ZPO – Verfahren nach billigem Ermessen, schriftliches Verfahren),
- Vollstreckungsstreitwert (§ 866 ZPO – Mindestwert zur Eintragung einer Sicherungshypothek)
oder
- Verurteilungsstreitwert (§§ 2, Nr. 708 ZPO – vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung)
sein.
Zum anderen kann es sich beim Streitwert um den Gebührenstreitwert handeln,
- für Anwaltsgebühren (§ 2 RVG)
- für Gerichtsgebühren (§ 3 GKG, § 3 FamGKG – „Verfahrenswert“)
Der Gebührenstreitwert richtet sich (insbesondere in gerichtlichen Verfahren, gilt aber auch für außergerichtliche Tätigkeiten über Sachverhalte, die Inhalt eines Verfahrens sein könnten) nur dann nach dem Zuständigkeitsstreitwert (ZPO), sofern das GKG keine eigenen Wertvorschriften enthält (§ 48 GKG). Das FamGKG bestimmt die Verfahrenswerte besonders.
Der Gebührenstreitwert bezeichnet den Wert des Streitgegenstands, also den wirtschaftlichen Wert, über den die Parteien vor Gericht streiten. Der Streitwert spielt nicht nur im Gebührenrecht eine zentrale Rolle für die Berechnung, sondern ist insbesondere auch für Gerichtsgebühren im Zivilprozess maßgeblich.
Da die „Streitwerte“ unterschiedlichen Zwecken dienen – sachliche Zuständigkeit: ZPO, Gebührenstreitwert: RVG, GKG, FamGKG, GNotKG –, kommt es im „direkten Vergleich“ der jeweiligen Regelungen zum Teil zu erheblichen Abweichungen in den Zahlen.
Fazit
Der Begriff „Gegenstandswert“ wird regelmäßig in außergerichtlichen Angelegenheiten herangezogen (insbesondere im Rahmen des RVG), während der Begriff „Streitwert“ in gerichtlichen Verfahren (GKG, FamGKG, ZPO) verwendet wird.
Bild: Adobe Stock/©insta_photos
Carmen Wolf
Carmen Wolf ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte mit Weiterbildung zur Rechtswirtin und zur Kanzleimanagerin, Ausbilderin für Rechtsanwaltsfachangestellte sowie Büroleiterin der Koblenzer Rechtsanwaltskanzlei FROMM. Dort ist sie mit allen Bereichen der Kanzleipraxis betraut.
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