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rechtsstreit erben

Von Norbert Schneider

Verstirbt im Laufe eines Rechtsstreits der Mandant und führt der Erbe – bzw. führen die Erben – den Rechtsstreit fort, stellt sich die Frage der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV. Die h. M. bejaht eine Gebührenerhöhung nach den Grundsätzen des Parteiwechsels.

1. Kein erneuter Auftrag erforderlich

Die erste Frage, die sich stellt, ist die, ob der Erbe bzw. die Erben dem Anwalt einen gesonderten (neuen) Auftrag zur Vertretung bzw. zur Fortsetzung des Mandats erteilen müssen. Dis wird zum Teil angenommen, ist aber unzutreffend. Die Erben treten als Auftraggeber nach § 1922 BGB in den Anwaltsvertrag ein, ohne dass es einer neuen Mandatierung des Rechtsanwalts bedarf. Der Anwaltsvertrag setzt sich vielmehr mit dem bzw. den Erben fort. Dies hat das OLG Köln[1] in seinem Leitsatz wie folgt klargestellt:

Ab dem Erbfall, ist/sind Auftraggeber des Rechtsanwalts der Erbe/die Erben, ohne dass der Auftrag durch diese(n) erneuert werden muss.

Selbstverständlich steht es den Erben frei, das Mandat zu kündigen (§ 627 BGB). Das ändert aber nichts daran, dass die bis dahin angefallene Vergütung zu zahlen ist.

II. Keine neue Vergütung

Da sich – wie bereits ausgeführt – das Mandat mit den Erben fortsetzt, entsteht kein neuer Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts. Es handelt sich insoweit immer noch um dieselbe Angelegenheit, so dass die Gebühren und Auslagen vor und nach dem Erbfall insgesamt nur einmal entstehen können (§ 15 Abs. 2 RVG).

III. Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV

Zu beachten ist jedoch, dass sich die Verfahrensgebühr durch den Eintritt des bzw. der Erben nach Nr. 1008 VV erhöht.

Dabei behandelt die Rechtsprechung die Erbfolge nach den Grundsätzen des Parteiwechsels, für den der BGH noch zur BRAGO entschieden hat, dass einerseits eine Angelegenheit vorliegt; andererseits aber wegen der (sukzessiven) Vertretung mehrerer Auftraggeber eine Gebührenerhöhung (damals noch § 6 BRAGO) eintritt[2].

Danach sind Erblasser und Erbe(n) als verschiedene Auftraggeber anzusehen, die eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV auslösen[3].

Die Gebührenerhöhung ist in diesem Fall unabhängig davon, ob für den Anwalt überhaupt Mehrarbeit entsteht[4].

Ist nur ein Erbe vorhanden, dann erhöht sich die Verfahrensgebühr um 0,3 bzw. um 30 Prozent.

Beispiel 1:

Der Anwalt hatte in einem Zivilprozess zunächst den Erblasser vertreten. Im Verlaufe des Verfahrens ist dieser verstorben und von seinem einzigen Kind beerbt worden.

Die Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV erhöht sich jetzt gem. Nr. 1008 VV um 0,3 auf einen Gebührensatz von 1,6.

Beispiel 2:

Der Anwalt hatte in einem sozialgerichtlichen Verfahren zunächst den Erblasser vertreten. Im Verlaufe des Verfahrens ist dieser verstorben und von seinem einzigen Kind beerbt worden.

Die Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV erhöht sich jetzt gem. Nr. 1008 VV um 30%.

Wird der Erblasser von mehreren Personen beerbt, kommen noch weitere Erhöhungen hinzu. Der Erbengemeinschaft kommt nämlich – im Gegensatz zur GbR und zur WEG – keine eigene Rechtspersönlichkeit zu [5]. Daher greift die Erhöhung nach Nr. 1008 VV zusätzlich für jeden weiteren Miterben.

Beispiel 3:

Der Anwalt hatte in einem Zivilprozess zunächst den Erblasser vertreten. Im Verlaufe des Verfahrens ist dieser verstorben und von seinen vier Kindern beerbt worden.

Dadurch, dass jetzt die vier Kinder als Erben in das Verfahren eingetreten sind, erhöht sich die Verfahrensgebühr um 4 x 0,3, also um 1,2.

Beispiel 4:

Der Anwalt hatte in einem sozialgerichtlichen Verfahren zunächst den Erblasser vertreten. Im Verlaufe des Verfahrens ist dieser verstorben und von seinen vier Kindern beerbt worden.

Dadurch, dass jetzt die vier Kinder als Erben in das Verfahren eingetreten sind, erhöht sich die Verfahrensgebühr um 4 x 30 Prozent, also um 120 Prozent.

Unerheblich ist insoweit, ob der Anwalt von allen Auftraggebern persönlich beauftragt worden ist oder ob ein Vertreter der Erbengemeinschaft den Anwalt in deren Namen beauftragt hat[6].

IV. Unbekannte Erben

Sind die Erben nicht bekannt und treten sie damit gegenüber dem Anwalt nicht in Erscheinung, soll nach der Rechtsprechung dagegen keine Gebührenerhöhung eintreten.

So hat das LG Berlin (JurBüro 1997, 413) klargestellt:

Die Erben werden von Gesetzes wegen gemäß ZPO § 246 ohne eigenen Willensakt Prozesspartei im anhängigen Prozess des Erblassers. Um aber als Auftraggeber des ursprünglich von dem Verstorbenen mandatierten Prozessbevollmächtigten zu gelten und gebührenrechtlich den Mehrvertretungszuschlag gemäß § 6 BRAGO (jetzt Nr. 1008 VV) zu schulden, müssen sie als Erben für den Prozessbevollmächtigten sichtbar in Erscheinung treten.

Ebenso OLG München (JurBüro 1990, 1156 = Rpfleger 1990, 436 = MDR 1990, 933):

Führt ein Nachlasspfleger für die unbekannten Erben einen Rechtsstreit und werden nach Abschluss der Instanz mehrere Erben festgestellt, dann wird der Prozessbevollmächtigte der Instanz nicht für mehrere Auftraggeber tätig.

In die gleiche Richtung geht die Entscheidung des OLG Hamburg (MDR 1982, 1030):

Der Nachlasspfleger für unbekannte Erben wird im kostenrechtlichen Sinne nicht für mehrere Auftraggeber tätig.

Bild: Adobe Stock/©joyfotoliakid
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Rechtsanwalt Norbert Schneider ist einer der versiertesten Praktiker im Bereich des anwaltlichen Gebühren- und Kostenrechts und Autor zahlreicher Fachpublikationen und Seminare. Er ist außerdem Autor der Fachinfo-Tabelle Gerichtsbezirke 2024 zur Reisekostenabrechnung und Mitherausgeber der AGS – Zeitschrift für das gesamte Gebührenrecht sowie der NZFam.