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Zusätzliche Gebühr

Von Norbert Schneider

Nach Nr. 4141 VV und Nr. 5115 VV erhält der Anwalt/die Anwältin in Straf- und Bußgeldsachen eine Zusätzliche Gebühr, wenn er/sie an bestimmten Verfahrensabschnitten mitgewirkt hat. Bei der Höhe der Gebühr gibt es in der Praxis allerdings immer wieder Probleme.

1. Wahlanwalt

Sowohl bei der Gebühr der Nr. 4141 VV als auch bei der Gebühr der Nr. 5115 VV wird für den Wahlanwalt/die Wahlanwältin zur Höhe festgelegt, dass die Gebühr in Höhe einer in Bezug genommenen Verfahrensgebühr entsteht und zwar in Höhe der Rahmenmitte.

Während bei den Verfahrensgebühren Betragsrahmen vorgesehen sind, die der Anwalt/die Anwältin nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG ausfüllt, gilt dies nicht für die Zusätzlichen Gebühren. Diese sind immer in Höhe der Rahmenmitte, also in Höhe der Mittelgebühr, anzusetzen.

Bei der Gebühr Nr. 4141 VV handelt es sich um eine Festgebühr, die immer in Höhe der jeweiligen Rahmenmitte steht.

KG, Beschl. v. 30. 9. 2011 – 1 Ws 66/09

Die Gebühr Nr. 5115 VV ist eine Festgebühr.

LG Dresden, Beschl. v. 28. 10. 2010 – 5 Qs 164/10

Weder kann der Anwalt/die Anwältin argumentieren, die Mitwirkung sei besonders umfangreich gewesen, so dass eine höhere Gebühr anzusetzen sei, noch kann der Mandant/die Mandantin oder der Rechtsschutzversicherer einwenden, die Tätigkeit sei weniger umfangreich gewesen, so dass ein unterhalb der Mittelgebühr liegender Betrag anzusetzen sei.

II. Beigeordneter oder bestellter Anwalt

Für den bestellten und den beigeordneten Anwalt gibt es keine Sonderregelung. Hier gilt die jeweils in Bezug genommene Verfahrensgebühr, die ohnehin bereits eine Festgebühr ist.

III. Mehrere Auftraggeber

Sofern der Anwalt/die Anwältin mehrere Auftraggeber vertritt, was zwar als Verteidiger:in nicht möglich ist, aber als Vertreter:in einer Neben- oder Privatkläger:in, die ebenfalls die Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV verdienen kann, bleibt die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV außer Ansatz. Es erhöht sich zwar dann die Verfahrensgebühr um 30 Prozent für jeden weiteren Auftraggeber, nicht aber die Zusätzliche Gebühr. Die Mittelgebühr ist also vorher um den Mehrvertretungsaufschlag zu bereinigen (AnwK-RVG/N. Schneider, 9. Aufl. 2021, Nr. 4141 Rn. 162).

Beispiel: Mehrere Auftraggeber

Die Anwältin war im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amtsgericht von den drei Kindern ihres bei einem Unfall tödlich verletzten Vaters mit der Nebenklage beauftragt worden. Das Verfahren wird aufgrund der Einlassung der Verteidigerin und einer Verhandlung zum Täter-Opfer-Ausgleich außerhalb der Hauptverhandlung eingestellt.

Zwar erhält die Anwältin die um 60 Prozent erhöhte Verfahrensgebühr der Nr. 4106 VV gem. Nr. 1008 VV. Für die Zusätzliche Gebühr bleibt es jedoch bei der einfachen Gebühr der Nr. 4106 VV als Bezugsgröße. Ausgehend von der Mittelgebühr ist wie folgt abzurechnen:

  1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV
  2. Verfahrensgebühr, Nr. 4106, 1008 VV
  3. Terminsgebühr, Nr. 4102 VV
  4. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV
  5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

220,00 €

290,40 €

187,00 €

181,50 €

20,00 €

898,90 €

170,79 €

1.069,69 €

IV. Haftzuschlag

Auch ein Haftzuschlag bleibt außer Ansatz. Befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, erhöht sich die Verfahrensgebühr und damit auch die Verfahrens-Mittelgebühr. Für die Zusätzliche Gebühr bleibt diese Erhöhung jedoch außer Ansatz (AnwK-RVG/N. Nr. 4141 Rn. 161; Burhoff/Volpert, RVG, 6. Aufl. 2021, Nr. 4141 Rn. 2). Maßgebend ist die Mittelgebühr der nicht erhöhten Verfahrensgebühr.

Beispiel: Vorbereitendes Verfahren mit Haftzuschlag

Der Anwalt war im erstinstanzlichen Verfahren als Verteidiger des inhaftierten Beschuldigten beauftragt worden. Das Landgericht lehnt aufgrund der Einlassung des Verteidigers gem. § 204 StPO die Eröffnung des Hauptverfahrens ab.

Zwar erhält der Anwalt die Gebühren der Nr. 4100 VV und 4106 VV mit Haftzuschlag. Für die zusätzliche Gebühr bleibt es jedoch bei der Nr. 4106 VV als Bezugsgröße. Ausgehend von der Mittelgebühr ist wie folgt abzurechnen:

  1. Grundgebühr, Nr. 4100, 4101 VV
  2. Verfahrensgebühr, Nr. 4106, 4107 VV
  3. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV
  4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

269,50 €

221,50 €

181,50 €

20,00 €

692,50 €

131,58 €

824,08 €

Höhe der Zusätzlichen Gebühr im vorbereitenden Verfahren

Die Zusätzliche Gebühr bei Einstellung im vorbereitenden Verfahren bemisst sich nicht nach Nr. 4104 VV, sondern nach Nr. 4106 ff. VV und richtet sich danach, welches Gericht mit dem Verfahren befasst worden wäre, wenn sich das Verfahren nicht erledigt hätte.

LG Marburg, Beschl. v. 30. 11. 2018 - 4 Qs 52/18

Die Höhe der Zusätzlichen Gebühr bemisst sich bei einer Einstellung im vorbereitenden Verfahren nicht nach Nr. 4104 VV RVG, sondern nach der Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens, und zwar nach der Ordnung des Gerichts, vor dem die Anklage zu erheben gewesen wäre, wenn sich das Verfahren nicht erledigt hätte.

AG Oldenburg (Oldb,), Beschl. v. 17. 11. 2022 - 28 Gs 1204 Js 38031/20 (3373/21)

Beispiel: Vorbereitendes Verfahren mit Einstellung

Die Anwältin war im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren als Verteidigerin tätig. Das Verfahren wird aufgrund der Einlassung der Verteidigerin von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Auszugehen ist von der Mittelgebühr.

Zwar erhält die Anwältin unabhängig davon, wo anzuklagen gewesen wäre immer die Verfahrensgebühr der Nr. 4104 VV. Bei der Bezugsgebühr für die Nr. 4141 VV ist aber nicht auf die Nr. 4104 VV abzustellen, sondern auf die Verfahrensgebühr desjenigen gerichtlichen Rechtszugs, in dem anzuklagen gewesen wäre. Nur bei einem Verfahren vor dem AG sind die Verfahrensgebühren identisch. Im Übrigen ergeben sich unterschiedliche Beträge für die Zusätzlichen Gebühr.

I. Anklage wäre vor dem Amtsgericht zu erheben gewesen

  1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV
  2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV
  3. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV
  4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

269,50 €

181,50 €

181,50 €

20,00 €

603,00 €

114,57 €

717,51 €

II. Anklage wäre vor der Strafkammer oder der Jugendkammer zu erheben gewesen, ohne dass ein Fall der Anm. zu Nr. 4118 VV vorgelegen hätte

  1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV
  2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV
  3. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4112 VV
  4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

220,00 €

181,50 €

203,50 €

20,00 €

625,00 €

118,75 €

743,75 €

III.  Anklage wäre vor dem Oberlandesgericht, dem Schwurgericht oder der Strafkammer nach den §§ 74a und 74c GVG zu erheben gewesen

  1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV
  2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV
  3. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4118 VV
  4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

220,00 €

181,50 €

434,50 €

20,00 €

856,00 €

118,75 €

1.018,64 €

Ebenso verhält es sich in Bußgeldsachen. Hier wirkt sich der Unterschied allerdings nur in der Stufe von Bußgeldern über 5.000 Euro aus.

Beispiel: Verfahren vor der Verwaltungsbehörde mit Einstellung

Die Anwältin war im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde als Verteidigerin tätig. Das Verfahren wird aufgrund der Einlassung der Verteidigerin von der Verwaltungsbehörde eingestellt. Auszugehen ist von der Mittelgebühr.

Bei Bußgeldern bis 5.000 Euro wirkt sich der Unterschied der Verfahrensgebühr des Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde nicht aus. Bei Bußgeldern über 5.000 Euro ergibt sich dagegen ein Unterschied.

I. Bußgeld unter 60,00 €

  1. Grundgebühr, Nr. 5100 VV
  2. Verfahrensgebühr, Nr. 5101 VV
  3. Zusätzliche Gebühr, Nr. 5115, 5107 VV
  4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

110,00 €

71,50 €

71,50 €

20,00 €

273,00 €

51,87 €

324,87 €

II. Bußgeld zwischen 60,00 € und 5.000,00 €

  1. Grundgebühr, Nr. 5100 VV
  2. Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV
  3. Zusätzliche Gebühr, Nr. 5115, 5109 VV
  4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 V

Gesamt

110,00 €

176,00 €

176,00 €

20,00 €

482,00 €

91,58 €

573,58 €

III.  Bußgeld über 5.000,00 €

  1. Grundgebühr, Nr. 5100 VV
  2. Verfahrensgebühr, Nr. 5105 VV
  3. Zusätzliche Gebühr, Nr. 5115, 5111 VV
  4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

110,00 €

187,00 €

229,00 €

20,00 €

546,00 €

546,00 €

649,74 €

Bild: Adobe Stock/© wutzkoh
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Rechtsanwalt Norbert Schneider ist einer der versiertesten Praktiker im Bereich des anwaltlichen Gebühren- und Kostenrechts und Autor zahlreicher Fachpublikationen und Seminare. Er ist außerdem Autor der Fachinfo-Tabelle Gerichtsbezirke 2024 zur Reisekostenabrechnung und Mitherausgeber der AGS – Zeitschrift für das gesamte Gebührenrecht sowie der NZFam.

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