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Geschäftsgebühr

Von Norbert Schneider

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands, gilt Nr. 1008 VV. Danach erhöht die sich Geschäfts- oder Verfahrensgebühr für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3. Bei der Abrechnung stellen sich gleich mehrere Probleme.

I. Geschäftsgebühr

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit, erhöht sich die Geschäftsgebühr für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3.

Dies gilt auch für die sog. Schwellengebühr. Zwar erhält der Anwalt in Angelegenheiten, die weder umfangreich noch schwierig sind, nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 2300 VV nur eine 1,3-Geschäftsgebühr. Diese Grenze gilt jedoch nur für einen Auftraggeber. Die Höchstgrenze erhöht sich bei mehreren Auftraggebern und beträgt bei zwei Auftraggebern 1,6, bei drei Auftraggebern 1,9 usw. Dies ist durch die mit dem KostRÄndG 2021 eingeführte Anm. Abs. 4 zu Nr. 1008 VV ausdrücklich klargestellt worden.

Ist die Sache umfangreich oder schwierig, ergeben sich ohnehin keine Probleme. Ist also z. B. von der Mittelgebühr (1,5) auszugehen, dann erhöht sich diese Gebühr auf 1,8.

Wie die Erhöhung genau zu berechnen ist, ist theoretisch umstritten. Nach einer Auffassung sind der Mindestsatz und der Höchstsatz jeweils um 0,3 anzuheben, so dass sich bei zwei Auftraggebern ein Gebührenrahmen von 0,8 bis 2,8 und damit auch eine um 0,3 erhöhte Mittelgebühr von 1,8 ergibt. Nach anderer Auffassung ist die konkrete Gebühr zu ermitteln und dann um 0,3 zu erhöhen (AnwK-RVG/Volpert, 9. Aufl. 2021, Nr. 1008 VV Rn. 111 f.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Aufl. 2021, Nr. 1008 VV Rn. 256). In der Regel ergeben sich insoweit im Ergebnis keine Unterschiede.

Beispiel:

Der Anwalt wird wegen einer Forderung in Höhe von 10.000,00 € für zwei Gesamtgläubiger tätig.

a) Die Sache ist weder umfangreich noch schwierig.

b) Die Sache ist umfangreich und schwierig, aber durchschnittlich.

Im Fall a) ist von der Schwellengebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 2300 VV auszugehen, die sich von 1,3 auf 1,6 erhöht. Im Fall b) ist von der Mittelgebühr auszugehen, die sich von 1,5 auf 1,8 erhöht.

Fall a)

  1. 1,6-Geschäftsgebühr, Nr. 2300, 1008 VV
  2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV
  3. Zwischensumme
  4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

Fall b)

  1. 1,8-Geschäftsgebühr, Nr. 2300, 1008 VV
  2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

  1. Umsatzsteuer

Gesamt

                                                          

982,40 €
20,00 €

1.002,40 €

190,46 €

1.192,86 €

1.105,20 €
20,00 €

1.125,20 €

213,79 €

1.1338,99 €

Soweit hier häufig eine „Erhöhungsgebühr“ abgerechnet wird, ist dies unzutreffend. Die Vorschrift der Nr. 1008 VV schafft keinen eigenen Gebührentatbestand, sondern führt lediglich zur Erhöhung einer anderen Gebühr (Geschäfts- oder Verfahrensgebühr), worauf unter II. noch einzugehen sein wird.

II. Rechtsstreit

Folgt nach der außergerichtlichen Vertretung der Rechtsstreit, erhält der Anwalt eine um 0,3 erhöhte Verfahrensgebühr, also bei zwei Auftraggebern eine 1,6-Verfahrensgebühr.

Soweit aus der Formulierung in Nr. 1008 VV, dass sich die Geschäfts- „oder“ die Verfahrensgebühr erhöht, früher herausgelesen wurde, dass sich nur eine der beiden Gebühren erhöhen könne, nicht aber beide zugleich (so AG Düsseldorf AGS 2006, 593), wird diese Auffassung seit der klarstellenden Berufungsentscheidung des LG Düsseldorf (AGS 2007, 381) nicht mehr vertreten. Zu erhöhen sind beide Gebühren unabhängig voneinander.

Wenn ein Rechtsanwalt mehrere Auftraggeber zunächst außergerichtlich vertritt und dann im gerichtlichen Verfahren, erhöhen sich sowohl die Geschäftsgebühr als auch die Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 RVG-VV.

LG Düsseldorf, Urt. v. 22.6.2007 – 22 S 439/06

Im gerichtlichen Verfahren entsteht damit eine 1,6 Verfahrensgebühr.

Die Geschäftsgebühr ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV hälftig, höchstens zu 0,75, anzurechnen.

Nunmehr ist zu beachten, dass es keine Erhöhungsgebühr gibt, sondern nur eine nach Nr. 1008 VV erhöhte Geschäftsgebühr. Das KG hat hierzu in seinem Beschl. v. 29.7.2008 – 1 W 73/08 (Rn. 11) ausgeführt:

„Die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG stellt keine eigenständige Gebühr dar (Senat, JurBüro 2007, 543 zu Nr. 2503 VV RVG). Zwar wird Teil 1 des RVG (Nr. 1000 bis 1009 VV RVG) mit der Vorbemerkung 1 eingeleitet, dass die Gebühren dieses Teils neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren entstehen. Diese allgemeine Bestimmung wird aber durch die speziellere Regelung der Nr. 1008 VV RVG verdrängt, wonach sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr ”erhöht”, wenn der Anwalt in derselben Angelegenheit mehrere Auftraggeber hat. Diese Formulierung lässt erkennen, dass auch die erhöhte Geschäfts- oder Verfahrensgebühr eine einheitliche Gebühr darstellt (Bischof, a.a.O., Nr. 1008 VV RVG, Rn. 93; Enders, JurBüro 05, 449, 450 Ziff. 3). Es kommt lediglich zur Erhöhung der jeweiligen Gebühr und nicht zur Begründung einer neuen, eigenständig zu behandelnden Gebühr.“

Daraus folgt, dass die Erhöhung bis zu einem Gebührensatz von 1,5 mit angerechnet wird. Würde man dagegen die Auffassung vertreten, dass es eine selbständige Erhöhungsgebühr gäbe, könnte diese nicht angerechnet werden, da es hierfür keine Anrechnungsvorschrift gibt.

 

Vertritt ein Rechtsanwalt mehrere Auftraggeber zunächst außergerichtlich und dann im gerichtlichen Verfahren, ist auch die erhöhte Geschäftsgebühr nach Nr. 2300, 1008 RVG-VV auf die erhöhte Verfahrensgebühr höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 anzurechnen.

KG, Beschl. v. 29.7.2008 – 1 W 73/08

Darüber hinaus besteht mittlerweile eine einhellige Auffassung, dass die Anrechnungsgrenze selbst nicht angehoben wird und es auch bei mehreren Auftraggebern bei der Anrechnungsgrenze von 0,75 als Höchstsatz bleibt. Auch dies hat das LG Düsseldorf in der oben zitierten Entscheidung klargestellt (AGS 2007, 381).

Auch die erhöhte Geschäftsgebühr ist auf die Verfahrensgebühr nur höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 anzurechnen.

LG Düsseldorf, Urt. v. 22.6.2007 – 22 S 439/06

Dies führt also dazu, dass bei einem Ausgangsgebührensatz von mehr als 1,2 die Erhöhung nur noch teilweise an der Anrechnung teilnimmt und ab einer Ausgangsgebühr von 1,5 die Erhöhung gar nicht mehr.

Im Beispiel ergibt sich also folgende Abrechnung, unabhängig davon, ob vorgerichtlich von der Schwellengebühr (Fall a) oder von der Mittelgebühr (Fall b) auszugehen ist, da in beiden Fällen die Anrechnung jedenfalls auf 0,75 begrenzt ist:

  1. 1,6 Verfahrensgebühr, Nr. 3100, 1008 VV
  2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen 0,75 aus 10.000 €
  3. 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV
  4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

982,40 €
-460,50 €

736,80 €
20,00 €

1.278,70

242,95 €

1.521,65 €

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Bild: Adobe Stock/©MIND AND I
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Rechtsanwalt Norbert Schneider ist einer der versiertesten Praktiker im Bereich des anwaltlichen Gebühren- und Kostenrechts und Autor zahlreicher Fachpublikationen und Seminare. Er ist außerdem Autor der Fachinfo-Tabelle Gerichtsbezirke 2024 zur Reisekostenabrechnung und Mitherausgeber der AGS – Zeitschrift für das gesamte Gebührenrecht sowie der NZFam.

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