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Vergleich

Von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

Wird eine Kostengrundentscheidung aus dem erstinstanzlichen Urteil durch eine per Prozessvergleich getroffene Kostenregelung im zweiten Rechtszug ersetzt, gilt nach dem BGH Folgendes: Eine Verzinsung der zu erstattenden Kosten nach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO kann erst von einem Antragszeitpunkt nach dem Vergleichsschluss verlangt werden, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren. Maßgeblich ist das Eingangsdatum des auf den Prozessvergleich bezogenen Kostenfestsetzungsantrags.

Sachverhalt

Der Beklagte B wurde erstinstanzlich u. a. dazu verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Kläger K beantragte daraufhin die Kostenfestsetzung von 6.000 EUR nebst 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit Antragseingang. Dieser Antrag ging beim Gericht am 10.1.20 ein.

Nachdem B Berufung eingelegt hatte, schlossen die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht einen Vergleich. Darin regelten sie, dass von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen K 7 Prozent und B 93 Prozent tragen muss. Der Kostenausgleichsantrag des K ging beim LG am 20.7.20 an (er meldete für die zweite Instanz weitere Kosten in Höhe von 1.800 EUR an).

Damit stellte sich die Frage, ob die Verzinsung für die Kosten der ersten Instanz in Höhe von 6.000 EUR bereits ab dem 10.1.20 oder erst mit dem Eingang des nach Erlass des landgerichtlichen Urteils gestellten Kostenfestsetzungsantrags am 20.7.20 begonnen hatte. Der BGH entschied sich für den späteren Zeitpunkt (4.11.20, VII ZB 37/18).

Relevanz für die Praxis

Die Entscheidung ist richtig. Im Einzelnen gilt es in der Praxis, die folgenden Punkte zu beachten:

  • Ein Anspruch auf Erstattung von Prozesskosten nebst Verzinsung (§ 104 Abs. 1 S. 2 ZPO) kann nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden (§ 103 Abs. 1 ZPO). Dieser muss zumindest eine vorläufig vollstreckbare Kostengrundentscheidung enthalten, d. h.:Im BGH-Fall setzt der Kostenfestsetzungsbeschluss die Kostenregelung um, die die Parteien in dem vor dem Berufungsgericht geschlossenen Vergleich vereinbart haben. Damit stehen dem Kläger als Gläubiger Zinsen frühestens von dem Zeitpunkt an zu, an dem der Titel vorliegt. Das wäre hier an sich der Tag des Vergleichs gewesen. Da die Parteien aber dies­bezüglich nichts anderes vereinbart haben, bestimmt sich der Zinsbeginn nach dem Eingangsdatum des auf den Vergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) bezogenen Kostenfestsetzungs-antrags. Das ist hier also der 20.7.20.
  • Durch den Prozessvergleich regeln die Parteien ihre Beziehung neu. Der Vergleich bildet daher eine Zäsur, wodurch die Parteien die Beendigung des Rechtsstreits verein­baren, entkoppelt vom bisherigen Prozessergebnis. Dadurch verlieren alle zuvor getroffenen Entscheidungen ihre Wirksamkeit. Somit entfällt auch jede früher ergangene Entscheidung als Grundlage der Kostenfestsetzung. Die Folge ist: Von der früheren Entscheidung geht – vorbehaltlich einer Regelung dazu im Vergleich – keine Wirkung mehr aus. Durch den Vergleich wird somit eine völlig neue Grundlage für die Kostenverteilung geschaffen. Das bedeutet:
    • Nach § 98 S. 2 ZPO gilt Kostenaufhebung, sofern sich die Parteien nicht auch über die Kosten des Rechtsstreits verglichen haben.
    • Verständigen sich die Parteien dagegen im Vergleich über die Kosten, gilt diese neue Regelung anstelle der ersatzlos weggefallenen Kostengrundentscheidung aus dem wirkungslos gewordenen erstinstanzlichen Urteil.

PRAXISTIPP | Die BGH-Entscheidung zeigt, dass die Parteien frei sind, in einem Vergleich auch Zinsansprüche zu Haupt- und Nebenforderungen zu begründen oder die Modalitäten der Verzinsung des prozessualen Erstattungs-anspruchs nach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO zu regeln. Die Parteien können also z. B. vereinbaren, dass für die Verzinsung der ­erstattungsfähigen Kosten der Zeitpunkt des Eingangs des erstinstanzlichen Kostenfestsetzungsantrags maßgeblich sein soll. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit,

  • eine erstinstanzlich getroffene Kostengrundentscheidung als solche mit dem Vergleich ausdrücklich zu bestätigen oder
  • zu vereinbaren, dass ein hierauf ergangener Kostenfestsetzungsbeschluss zwischen den Parteien weiter gelten soll.

Beachten Sie | Es besteht die Chance, im Vergleich eine Schlechterstellung hinsichtlich des Verzinsungsbeginns des prozessualen Kostenerstattungs­anspruchs der ersten Instanz zu vermeiden. Diese Schlechterstellung tritt sonst automatisch ein, da die gerichtliche Entscheidung formal immer an die Letztentscheidung anknüpft, wenn sie die erstinstanzlich getroffene Kostenentscheidung teilweise bestätigt.

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